Der kleine Tierpark by Walser Robert
Autor:Walser, Robert [Walser, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-07T16:00:00+00:00
VORKOMMEN KANN, DASS Z. B. PFERDE ÜBER GEBÜHR IN ARBEITSANSPRUCH GENOMMEN WERDEN
Vorkommen kann, daß z. B. Pferde über Gebühr in Arbeitsanspruch genommen werden, weil sie nicht reden, also auch nicht befragt werden können. Sie sind verhandlungsunfähig. Man kann sich nach keines Pferdes Meinung erkundigen, weil ihm die Natur versagt hat, sie kundzugeben. Eigentlich ist es abscheulich von uns Menschen, Delikatessen wie z. B. Froschschenkel nicht zu verschmähen. Unzähligen Hühnern werden Tag um Tag innerhalb der Zivilisation die Köpfe kurzerhand abgeschnitten, was eine Tatsache ist, die zu einiger Bedenklichkeit Anlaß geben sollte. Einer Frau beliebte es, eine Wohltäterin zu sein. Einmal kam sie mit einem lebendigen Aal nach Hause, den sie mir zum Mittagsmahl vorzusetzen wünschte. Nur dem Geschäft der Tötung des Aales unterzog sie sich nicht. »Wollen nicht Sie den Mord vollziehen, lieber Freund?« bat sie mich. Aus Artigkeit übernahm ich denn ja auch meine seltsame Aufgabe, indem ich Gewalt über meine Nerven auszuüben bemüht war, was mir gelang. Hühner legen Eier, und zum Dank für dieses Entgegenkommen schlachtet und verzehrt man sie auch noch. Das heißt wirklich einerseits nützlich und anderseits rücksichtslos sein. Dabei muß aber die Ernährungsfrage in Betracht gezogen werden, die von eminentem Umfang ist. Man sieht bei einigem intelligentem Umsichschauen klar, wie sich die Tiere dem Appetit der Menschen aufopfern müssen. Die Tiere werden zu Vertilgungszwecken künstlich gezüchtet, oder sie werden ernährt, um zu Beschäftigungen herangezogen zu werden. Was haben Gänse, Enten usw. Übles getan, daß man sie umbringen muß? Die Verfehlung dieser Geschöpfe besteht darin, daß sie eßbar sind, teilweise sogar einen Leckerbissen für uns Unersättliche bilden, die wir uns so leicht und so gern mit der Medaille der Humanität und Bildung schmücken. Wenn jeder Fleischsuppenesser, Kalbsbratenvertilger an den Entleibungen mithelfen müßte, die zu seiner Beköstigung erforderlich sind, er verlöre vielleicht hin und wieder die Eßlust. Was wir nicht mitansehen, geschieht fast so gut wie nicht für uns. Hieraus erklären sich manche Gedankenlosigkeiten, wie z. B. die der Daheimgebliebenen im Weltkrieg. Ich komme nun auf die Kriege zu sprechen und bitte um Erlaubnis, sagen zu dürfen, daß kein Krieg wie der andere ist, daß jeder Krieg zwar etwas ist, was man unmöglich herbeiwünschen kann, daß aber z. B. für uns Euopäer die Notwendigkeit erwachsen kann, Krieg im Interesse unserer Kultur zu führen, und zwar gegen Kolonialvölker, die, wie sie beschaffen sind und wie unsere Verhältnisse liegen, uns durchaus gehorchen müssen. Es kann Auflehnungen geben, denen gegenüber man sich schonend wird verhalten können, andere aber werden durchaus gedämpft, gebändigt werden müssen. Man darf also nicht alle Kriege blindlings verurteilen, man muß sich vielmehr sehr ernstlich fragen, was ein Krieg für ein Ziel, für einen Zweck hat. Die Kolonialvölker stehen unter europäischer Aufsicht, ihnen wurde die Pflicht auferlegt, sich möglich[s]t exakt und gewandt nach unseren Absichten, Bedürfnissen usw. zu richten. Die Wichtigkeit einer Ordnung zu verkennen, bei der die Naturvölker die untergeordnete Rolle haben übernehmen müssen, würde womöglich an Wahnsinn grenzen. Natürlich kann man das nicht behaupten, und ich behaupte auch nichts, sondern vermute bloß. Wenn sich die Tiere den Menschen aufopfern
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