Clara Schumann, Klavier. Ein Lebensbuch by Dieter Kühn

Clara Schumann, Klavier. Ein Lebensbuch by Dieter Kühn

Autor:Dieter Kühn [Kühn, Dieter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104034171
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-07-25T16:00:00+00:00


Die Krankheit, die nun mit aller Heftigkeit ausbrach, sie war schon lange präsent in ausgedehnten Vorstadien. Dies muß noch einmal bewußt gemacht werden, im Rückblick.

Anderthalb Jahre zuvor, im August 52, hatte Clara ihrer Freundin Emilie berichtet, »daß mein armer Robert seit 5 Wochen sehr leidend ist, und zwar nervös in Folge großer geistiger Anstrengungen. Du kannst es nicht glauben, welch schwere Tage und Nächte ich in dieser Zeit durchgemacht! Er ist immer so trübe, so geplagt von hypochondrischen Gedanken, kann nicht das Kleinste tun, und fast keine Minute darf man ihn verlassen, will ich ihn nicht gleich wieder den trübsten Gedanken verfallen sehen.«

Schon ein Jahrzehnt zuvor: Robert litt mal unter Gehörstörungen, mal unter Schwindelanfällen. Und November, Dezember 1842 war er ernstlich krank; das setzte sich fort in den ersten Wochen des folgenden Jahres. Und im Februar und im März und im April und im Mai und im Juni 1844 war er kränklich; September, Oktober war er krank. Und es folgten Monate, in denen sich immer mal wieder Gehörstörungen und Schwindelanfälle einstellten. Anfang Juli 1852 dann der starke Krankheitsschub.

Eine klare Diagnose war damals medizinisch noch nicht möglich, man tippte auf verschiedene Ursachen. Beispielsweise konnte erhöhter »Blutandrang« im Kopf bestehen, und so setzte man ihm Blutegel. Dann wieder hieß es, vage genug, »Kopf-Nerven-Affektationen«. Wie auch immer die Krankheit heißen mochte – sie wurde auch für die Frau zu einer fast chronischen Belastung, spätestens seit Juli 52, in Vorformen seit 1842.

Hier stellt sich die Frage, welche Rückwirkungen Roberts Krankheit auf die Beziehung hatte, haben konnte. Eine so lang anhaltende, in mehreren Phasen dramatische Entwicklung mußte Auswirkungen haben auf das Miteinander.

Eine Antwort auf diese Frage wird durch historische Quellen nicht vermittelt, hier muß Erfahrung eingebracht werden. Solche Erfahrung vermittelt mir einer der Briefe, die ich zur ersten Fassung dieser Biographie erhielt: Bericht über die Geschichte einer Krankheit, die zur Geschichte der Krise einer Beziehung wurde.

Die Frau, die mir schrieb, hatte eine lange Ehe geführt mit einem kreativen, psychisch kranken Mann (er ist inzwischen verstorben). Aus ihrer Erfahrung heraus stellte sie als Leserin die Frage, »wie lange und wie mühsam es gewesen sein mag, mit der schleichenden Krankheit Roberts zu leben und damit umzugehen«. Die Frau eines Manisch-Depressiven erlebte »diese Stimmungsschwankungen, diese Veränderungen, diese Sprunghaftigkeit auf der einen Seite, auf der anderen Seite das Insichgekehrtsein und die Antriebsschwäche. Das alles verunsichert den Partner und die Spannkraft läßt einfach nach. Ich habe mich wiederholt beim Lesen Ihres Buches gefragt: Können Dritte überhaupt ermessen, was es heißt, jahrelang mit einem hochsensiblen Künstler, der zugleich psychisch krank ist, umzugehen und sich immer wieder mit der Krankheit auseinanderzusetzen?« Und: »Wahrscheinlich greift eine psychische Erkrankung eines Partners zu tief in eine Beziehung zweier Menschen ein, die Überbrückung und das Zueinanderfinden werden immer verwickelter.«

Ich schrieb sofort zurück und bat um weitere Hinweise, die mir helfen könnten, Clara Schumann in dieser Lebensphase zu verstehen. Ich erhielt einen ausführlichen Bericht; es folgte eine Begegnung bei einer meiner Konzertlesungen; es schloß sich ein längeres Gespräch an.

Eine Frau, die aus Erfahrungen sprach, die sich übertragen lassen – mit Vorsicht und auf Vorbehalt.



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