Calpurnias faszinierende Forschungen by Jacqueline Kelly

Calpurnias faszinierende Forschungen by Jacqueline Kelly

Autor:Jacqueline Kelly [Kelly, Jacqueline]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446250307
Herausgeber: Carl Hanser Verlag München 2015
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00


Vierzehntes Kapitel

GELDSORGEN

Auf der früheren Fahrt von Adventure und Beagle … nahm Kapitän Fitz Roy eine Gruppe Eingeborener als Geiseln für den Verlust eines Bootes, das …gestohlen worden war, und einige dieser Eingeborenen, darunter auch ein Kind, welches er für einen Perlenknopf gekauft hatte, nahm er mit nach England …

Es war ein Samstag, ein kalter, verregneter, scheußlicher Samstag, und ich hockte auf Befehl meiner Mutter auf einem Sitzkissen im Salon und musste wieder einmal einen Handschuh stricken. Langsam wurde ich besser, aber wen interessierte das? Mich jedenfalls nicht.

Mutter und Aggie arbeiteten an ihren Stickereien, J. B. saß in einer Ecke und türmte Bauklötze aus Holz übereinander, dabei erzählte er leise und immer wieder vor sich hin kichernd irgendeine unsinnige Geschichte, die nur er allein verstand. Ein Feuer aus Pekanholz knackte und knisterte munter im Kamin gegen das trübe Wetter und meine ebenso trübe Stimmung an.

Es läutete an der Tür, und ich durfte auf Erlösung von meiner Qual hoffen. Sofort sprang ich auf. »Ich geh schon.« Es war Miss Harbottle, meine Lehrerin, die mit Aggie und Mutter über ihr Anliegen sprechen wollte. Ich nahm ihr die völlig durchnässte Pelisse und den tropfenden Regenschirm ab und hängte beides an die Garderobe. Mit ihrer schlichten schwarzen Kleidung und dem zerrupften Hut strahlte sie den Charme einer nassen Kuh aus.

»Geht es dir gut, Calpurnia?«

»Sehr gut, danke, Miss Harbottle«, antwortete ich und machte einen kleinen Knicks, was ihr zu gefallen schien. »Und selbst?«

Wir tauschten die üblichen Freundlichkeiten aus. Für ein Mädchen wie mich, das sich in der Schule oft anhören musste, es sei vorlaut (und daher übertrieben viel Zeit in der Ecke stehen musste), war ich merkwürdig schüchtern, sobald ich meiner Lehrerin außerhalb der Schule begegnete. Die Schule war ihr natürlicher Lebensraum, und ich fühlte mich immer etwas unbehaglich, wenn ich ihr »in der Welt draußen« über den Weg lief.

Ich führte sie in den Salon, wo Mutter und Aggie sich erhoben, um Miss Harbottle die Hand zu schütteln und sich höflich nach ihrer Gesundheit zu erkundigen. Dann wandte Mutter sich nach mir um und sagte: »Callie, lauf zu Viola und bitte sie, uns Tee und eine kleine Stärkung zu bringen.«

Leichtherzig flitzte ich zur Küche. Bei so hohem Besuch würde zu »einer kleinen Stärkung« zweifellos auch Violas mehrschichtiger Schokoladenkuchen gehören, eine sagenhafte Köstlichkeit, die wir Kinder sonst nur zu ganz besonderen Gelegenheiten bekamen. Ich rechnete mir aus, dass ich sicher ein Stückchen ergaunern könnte, wenn ich mich nützlich machte, Teetassen (und Kuchen) herumreichte und ganz allgemein die Rolle der mustergültigen Tochter spielte.

Ich unterbrach Viola, die wieder einmal – was wohl? – Kartoffeln schälte.

»Mutter hätte gern Tee. Ach ja, und dazu Schokoladenkuchen für vier Personen.« J. B. hatte ich nicht mitgerechnet, das wäre wohl zu viel des Guten gewesen, außerdem konnte ich ihn sicher mit einer Gabelvoll von meinem Teller ruhigstellen.

Viola ließ ihr Messer ruhen und sah mich forschend an. »Das gute Porzellan?«

»Ja, Miss Harbottle ist zu Besuch.«

Viola zog sich eine frische Schürze an und nahm das Teetablett aus dem Schrank. Ich überließ sie ihren Vorbereitungen und kehrte auf mein Sitzkissen im Salon zurück.



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