Biedermann und die Brandstifter by Frisch Max
Autor:Frisch, Max [Frisch, Max]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2016-06-16T22:00:00+00:00
Szene 5
Stube
Die Witwe Knechtling ist noch immer da, sie steht. Man hört das Glockengeläute sehr laut. Anna deckt den Tisch, und Biedermann bringt zwei Sessel.
BIEDERMANN – weil ich, wie Sie sehen, keine Zeit habe, Frau Knechtling, keine Zeit, um mich mit Toten zu befassen – wie gesagt: Wenden Sie sich an meinen Rechtsanwalt.
Die Witwe Knechtling geht.
Man hört ja seine eigne Stimme nicht, Anna, machen Sie das Fenster zu!
Anna macht das Fenster zu, und das Geläute tönt leiser.
Ich habe gesagt: Ein schlichtes und gemütliches Abendessen.
Was sollen diese idiotischen Kandelaber!
ANNA Haben wir aber immer, Herr Biedermann.
BIEDERMANN Schlicht und gemütlich, sag ich. Nur keine Protzerei! – und diese Wasserschalen, verdammtnochmal! diese Messerbänklein, Silber, nichts als Silber und Kristall. Was macht das für einen Eindruck!
Er sammelt die Messerbänklein und steckt sie in die Hosentasche.
Sie sehen doch, Anna, ich trage meine älteste Hausjacke, und Sie – Das große Geflügelmesser können Sie lassen, Anna, das brauchen wir. Aber sonst: Weg mit diesem Silber! Die beiden Herren sollen sich wie zu Haus fühlen … Wo ist der Korkenzieher?
ANNA Hier.
BIEDERMANN Haben wir nichts Einfacheres?
ANNA In der Küche, aber der ist rostig.
BIEDERMANN Her damit!
Er nimmt einen Silberkübel vom Tisch.
Was soll denn das?
ANNA Für den Wein –
BIEDERMANN Silber!
Er starrt auf den Kübel und dann auf Anna.
Haben wir das immer?
ANNA Das braucht man doch, Herr Biedermann.
BIEDERMANN Brauchen! Was heißt brauchen? Was wir brauchen, das ist Menschlichkeit, Brüderlichkeit. Weg damit! – und was, zum Teufel, bringen Sie denn da?
ANNA Servietten.
BIEDERMANN Damast!
ANNA Wir haben keine andern.
Er sammelt die Servietten und steckt sie in den Silberkübel.
BIEDERMANN Es gibt ganze Völkerstämme, die ohne Servietten leben, Menschen wie wir –
Eintritt Babette mit einem großen Kranz, Biedermann bemerkt sie noch nicht, er steht vor dem Tisch.
Ich frage mich, wozu wir überhaupt ein Tischtuch brauchen –
BABETTE Gottlieb?
BIEDERMANN Nur keine Klassenunterschiede!
Er sieht Babette.
Was soll dieser Kranz?
BABETTE Den wir bestellt haben. Was sagst du dazu, Gottlieb, jetzt schicken sie den Kranz hierher. Dabei habe ich ihnen selber die Adresse geschrieben, die Adresse von Knechtlings, schwarz auf weiß. Und die Schleife und alles ist verkehrt!
BIEDERMANN Die Schleife, wieso?
BABETTE Und die Rechnung, sagt der Bursche, die haben sie an die Frau Knechtling geschickt.
Sie zeigt die Schleife.
UNSEREM UNVERGESSLICHEN GOTTLIEB BIEDERMANN
Er betrachtet die Schleife.
BIEDERMANN Das nehmen wir nicht an. Kommt nicht in Frage!
Das müssen sie ändern –
Er geht zum Tisch zurück.
Mach mich jetzt nicht nervös, Babette, ich habe anderes zu tun, Herrgottnochmal, ich kann nicht überall sein.
Babette geht mit dem Kranz.
Also weg mit dem Tischtuch! Helfen Sie mir doch, Anna. Und wie gesagt: Es wird nicht serviert. Unter keinen Umständen! Sie kommen herein, ohne zu klopfen, einfach herein und stellen die Pfanne einfach auf den Tisch –
ANNA Die Pfanne?
Er nimmt das Tischtuch weg.
BIEDERMANN Sofort eine ganz andere Stimmung. Sehn Sie! Ein hölzerner Tisch, nichts weiter, wie beim Abendmahl.
Er gibt ihr das Tischtuch.
ANNA Herr Biedermann meinen, ich soll die Gans einfach in der Pfanne bringen?
Sie faltet das Tischtuch zusammen.
Was für einen Wein, Herr Biedermann, soll ich denn holen?
BIEDERMANN Ich hole ihn selbst.
ANNA Herr Biedermann!
BIEDERMANN Was denn noch?
ANNA Ich hab aber keinen solchen Pullover, wie Sie sagen, Herr Biedermann, so einen schlichten, daß man meint, ich gehöre zur Familie.
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