Augen zu und durch by Dagmar Hansen

Augen zu und durch by Dagmar Hansen

Autor:Dagmar Hansen [Hansen, Dagmar]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783733783181
veröffentlicht: 2014-04-14T22:00:00+00:00


Ich säte gerade Herrn Lohners Radieschensamen aus, als ich Frederick und Sabina auf der Terrasse auftauchen sah. Ich winkte und rief: „Hallo, ihr zwei!“

Sie winkten nicht zurück. Sabina griff nach Fredericks Hand. Die Geste hatte etwas Hilfe suchendes, das mir ins Herz schnitt. Ich sah, wie sich Sabinas Lippen bewegten. Frederick nickte. Während ich noch dachte: Ach, du liebe Güte, irgendetwas stimmt nicht, verschwanden sie wieder im Haus.

Der Spurt, den ich hinlegte, um ihnen nachzuflitzen, war weltrekordverdächtig. „Wartet doch … Fredde … Sabina … was ist denn los?“

Sie blieben stehen und drehten sich zu mir um. Ich bekam einen Schreck. Sie sahen so blass und hohläugig aus, als hätten sie ewig nicht mehr geschlafen. Frederick wich meinem Blick aus und schluckte. „Hallo, Mama. Wir sind gleich wieder weg. Sabina wollte nur ein paar Sachen holen, die in meinem Schrank hängen.“

Sabina nickte. „Meinen Jeansoverall. Und das geblümte Viskosekleid.“

Ihr Gesicht und ihre Stimme waren vollkommen ausdruckslos.

Ich legte eine Hand auf Fredericks Arm. „Freddy … Irgendwas stimmt doch nicht mit euch beiden. Wollt ihr mir nicht sagen, was los ist?“

Frederick wurde rot, dann wieder blass. Er holte tief Luft.

„Ich bin schwanger“, sagte Sabina. „In der achten Woche. Kein Grund, in Ohnmacht zu fallen. Ich treibe ab. Es ist alles schon geregelt.“

Ihre Stimme hatte so hart geklungen, dass ich unwillkürlich zusammengezuckt war. Aber ihre Augen … sie waren riesengroß in dem blassen, schmalen Gesichtchen. Kinderaugen, voller Angst und Verzweiflung.

Wie vermutlich alle Eltern, hatte auch ich immer Angst davor gehabt, dass „es“ passieren könnte. Aber jetzt, da ich es mit der Realität zu tun hatte, dachte ich nur: Ach, Gott. Sie sind beide so jung. Und völlig verzweifelt. Ich kann nicht mit ansehen, dass sie so unglücklich sind. Und das Kind … mein Enkelkind. Thomas’ und mein Enkelkind …

„Lasst uns in Ruhe über alles reden. Bitte.“

„Ja“, sagte Frederick sofort.

„Nein“, sagte Sabina. „Es gibt nichts zu reden.“

Frederick sah sie bittend an. Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein. Was soll das bringen? Ich lass es machen und fertig.“

Frederick legte den Arm um ihre Schultern. „Lass uns darüber reden. Bitte. Mama ist okay. Sie wird nicht rumnerven.“

Sabina schüttelte seinen Arm ab. „Ich will aber nicht. Bei der Beratungsstelle haben sie genug auf mich eingeredet. Ich hab keinen Bock mehr darauf, Alternativen zu einem Abbruch vorgebetet zu bekommen. Für mich gibt es keine Alternativen.“ Es klang trotzig, aber ihre Unterlippe zitterte.

„Ich werde keine Predigt halten. Und mich auch nicht einmischen“, sagte ich. „Es ist allein eure Entscheidung.“

„Es ist meine Entscheidung. Ganz allein meine. Aber von mir aus, reden wir. Du gibst ja doch keine Ruhe. Und Freddy auch nicht. Obwohl er nicht derjenige ist, der schwanger ist. Aber ich sag euch gleich: Mein Entschluss steht fest.“

Wir gingen in die Küche.

„Ich weiß gar nicht, was das hier soll“, sagte Sabina, kaum dass wir am Tisch saßen. „Nächste Woche ist die Sache ausgestanden. Und du brauchst dir keinen Kopf zu machen, Judith. Das passiert mir nie wieder. Ich verlass mich im Leben nicht mehr auf die Pille, wenn ich gerade eine Magen-Darm-Grippe hinter mir habe.



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