Antoine de Saint-Exupéry · Der melancholische Weltenbummler · Eine Biografie by Hanimann Joseph

Antoine de Saint-Exupéry · Der melancholische Weltenbummler · Eine Biografie by Hanimann Joseph

Autor:Hanimann, Joseph [Hanimann, Joseph]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Biographie & Autobiographie
ISBN: 9783280055083
Herausgeber: Orell Füssli Verlag
veröffentlicht: 2013-11-15T00:00:00+00:00


Unter Menschen und Sternen

Ihr seid Bewohner des selben Planeten, Passagiere des selben Schiffs.228

Sechs Jahre lag das Erscheinen von »Nachtflug« nun zurück. Saint-Exupéry hatte seither kein neues Buch veröffentlicht. Auch von seinem Projekt über den Unfall seines Freundes Guillaumet in den Anden war nicht mehr die Rede. Ganz überzeugt davon war er wohl nie gewesen. »Keine Zeile schreibe ich von meinem Buch über Guillaumet«, hatte er schon 1931 in einem Brief seiner Verwandten Yvonne de Lestrange mitgeteilt.229 Der angebliche Grund war, dass Gallimard zu wenig für seinen Roman »Nachtflug« tue. Die Irritation über die Reaktion seiner Aéropostale-Kollegen auf »Vol de nuit« wirkte aber nach. »Wenn Du wüsstest, (…) welch immenser Lebensüberdruss mich allmählich erfasste«, schrieb er 1934 an Guillaumet: »Weil ich dieses unselige Buch geschrieben habe, wurde ich mit Elend und mit dem Verdruss meiner Kameraden gestraft«.230 Jean Paulhan, der Lektor von Gallimard, erkundigte sich ab und zu diskret nach dem neuen Buchprojekt und ließ es dann bleiben.

Nicht Verbitterung allein war es aber, nicht Schreibhemmung, Faulheit oder Ideenmangel, die Saint-Ex vom Verfassen eines neuen Buchs abhielten. Er schien auch zu spüren, dass er im Romanstil seiner beiden ersten Werke nicht mehr weitermachen konnte. Es waren mehr oder weniger zwingend in eine Geschichte gepackte Szenen und Gedankenassoziationen über den Menschen und die Technik, über Berufsethos und Opferbereitschaft des Pilotendaseins gewesen – Opfer in Reinform, eine Art paradoxer acte gratuit.

Diese Perspektive reichte dem Autor als Motivation fortan nicht mehr aus. Zu viele Beispiele von Selbstaufgabe bis hin zum blinden Gehorsam, zu Idolatrie und Fanatismus für einen Führer, einen Duce, eine Ideologie oder ein revolutionäres Projekt hatte er mittlerweile in Europa vor Augen geführt bekommen. Er musste nun klarer wissen, worauf es ihm wirklich ankam. In den »Carnets« hatte er mit den Klärungsversuchen schon begonnen. Angeregt wurden diese Aufzeichnungen, wie wir sahen, durch Diskussionen mit Freunden und durch die Lektüre. So rückten auch neue Themen wie Psychoanalyse und Volkswirtschaftslehre in den Blick.

Das Auf und Ab der Ehe mit Consuelo, die zerrüttete Berufslage, die nach wie vor prekäre Finanzsituation waren aber nicht förderlich für eine systematische Reflexion. Abgesehen davon entsprach das auch gar nicht seinem Temperament. Mit technischen Erfindungen und Patenten, journalistischen Reportagen, Drehbuchentwürfen und sonstigen Gelegenheitsarbeiten lenkte er sich selber dauernd ab. Antoine de Saint-Exupéry war unfähig, solche Dinge einfach nebenher zu betreiben und dabei konzentriert an einer bestimmten Sache zu bleiben. Alles, was er gerade tat, beanspruchte seine volle Aufmerksamkeit. »Die dunkle, aber kraftvolle Dynamik des Tuns führt dazu, dass jedes Drehbuch, das ich schreibe, und jeder Artikel eine verlorene Chance bedeutet für ein Buch«, bekannte er 1936 gegenüber Nelly de Vogüé.231

Hinzu kam, dass seine Selbstansprüche ans Schreiben gestiegen waren, auch für journalistische Texte. Von den verabredeten Reportagen aus Madrid hatte er nur drei abgeliefert. Nach dem Drängen der Redaktion reichte er schließlich einen vierten ein, kreuzte aber noch am selben Tag bei der Zeitung auf und verlangte den Artikel mit der Begründung zurück, er wolle etwas abändern. Unter den Augen des verblüfften Chefredakteurs Hervé Mille zerriss er dann das Manuskript und ging, wie er gekommen war.



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