Von sieben Meeren : Fahrten und Abenteuer by Hanns Heinz Ewers

Von sieben Meeren : Fahrten und Abenteuer by Hanns Heinz Ewers

Autor:Hanns Heinz Ewers [Ewers, Hanns Heinz]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Reisebericht
Herausgeber: Sieben Stäbe
veröffentlicht: 1927-01-01T00:00:00+00:00


Ich kaufe einen Tiger in Johur.

Im Indischen Ozean

an Bord D. S. ›Bülow‹, 30. IX. 1910

Langsam glitt die ›Bülow‹ an den malaiischen Pfahldörfern vorbei, durch die Malakkastraße, auf Singapur zu. Singapur – das ist die ›Löwenstadt‹: ein wissenschaftlicher Name vermutlich, darum der Insel so gegeben, weil weit und breit und nirgends in ganz Asien ein Löwe herumstreicht, wohl aber viele Tiger das Land hier unsicher genug machen.

Singapur – Löwenstadt? Natürlich kann sich nur ein Deutscher darüber aufregen, und dann nur wieder solch ein Narr wie ich, der allen Dingen durchaus auf den Grund kommen will. Wer hat die Inselstadt so genannt und warum? Und wußten diese Leute, daß schließlich Löwe und Tiger – dasselbe Tier sind? Dasselbe Tier, das sich nur anders anzieht? Freilich, wenn man den Tigerschädel auf den Tisch stellt, steht er fest, und der Löwenschädel wackelt ein ganz klein bißchen – auch nicht einmal immer! Kein Paläontologe der Welt kann, wenn er ein Skelett findet, bestimmen, ob’s einem Löwen oder einem Tiger gehörte – alle Skelette sind völlig gleich. Wenn sich die zwei Tiere verheiraten, kriegen sie prächtige Kinder – Hagenbeck hatte so ein paar: Romulus und Remus hießen sie, die sollten das Geschlecht der Löwentiger begründen. Denn dazu muß der Mensch schon ein wenig nachhelfen, weil die Natur keine Gelegenheit schafft: wo’s Löwen gibt, fehlt der Tiger, und wo die Tiger hausen, gibt’s keine Löwen. Ein unangenehmes Problem ist das, und ich möchte, die Herrn Gelehrten würden sich ein wenig damit beschäftigen. Denn das Fell ist doch wirklich kein Unterschied: kurzhaarig oder langhaarig, braun, weiß oder schwarz: Hund ist Hund! Und ob ich im Tropenanzug oder im Frack rumlaufe – ich bleibe doch ein armseliger Mensch, der nichts weiß.

Nun aber, diese alten Menschen der Malakkahalbinsel, die die Insel Singapur nannten, wußten ja noch viel weniger als ich. Skelette haben sie gewiß nie studiert, und wenn je einmal vor Jahrhunderten einer ihrer Sultane von einem befreundeten Araberscheik von Afrikas Ostküste einen Löwen geschenkt bekam – nun, dann mußte ihnen dies Tier als ein ganz andres erscheinen als ihre Tiger. Hoch trug der Löwe den bemähnten Riesenkopf, gelbbraun war er; ihre Tiger waren alle schwarz-gelb gestreift und hatten gar keine Mähne.

Warum also nannten sie –?

Nein, ich geb’s auf! Zu hart ist mir diese Nuß! Paläontologen, Osteologen und Biologen oder auch Geographen und Orientalisten mögen sie knacken!

* * *

Ich lehnte über die Reling, schaute dem Lotsen zu, der das Fallreep hinaufkletterte; neben mir stand der Rauchzimmersteward. Ein blonder Junge, flink, fix, fast elegant in seiner weißen Tropenuniform. Doch lag etwas Weiches, Verträumtes in seinen blauen Augen: er war ein Wiener Kind; und ob er auch seit vierzehn Jahren auf Bremer Schiffen durch die Welt fuhr, war doch etwas da, das ihn weit weghob von all den breitschultrigen Männern der Wasserkante.

»Lauf zum Lotsen!« sagte ich zu ihm. »Laß dir die Reuterdepeschen geben, und bring sie her!«

»Ich darf nicht«, antwortete er. »Erst will sie der Kapitän haben.«

»Nun gut«, sagte ich; »so geh ich zu ihm auf die Brücke.«

Der Kapitän war ein Berliner und war weißgott das grade Gegenteil von seinem Rauchzimmersteward.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.