The New Jim Crow by Alexander Michelle
Autor:Alexander, Michelle
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783956141591
Herausgeber: Verlag Antje Kunstmann
veröffentlicht: 2016-10-19T16:00:00+00:00
Das Kreuz mit dem Kreuzchen
Abgesehen von einem Schlafplatz, ist für entlassene Strafgefangene nichts dringlicher als ein Arbeitsplatz. Einer Studie des Vera Institute zufolge, hält sie in den ersten Monaten vor allem die Jobsuche auf Trab.19 Das liegt auch daran, dass ihnen das Strafjustizsystem in dieser Hinsicht Druck macht. Vielfach ist es Teil der Bewährungsauflagen, einer regelmäÃigen Erwerbsarbeit nachzugehen.20 Wer das nicht schafft, wandert wieder ins Gefängnis.
Auch ohne die Notwendigkeit, Bewährungsauflagen zu erfüllen, befriedigt ein Arbeitsplatz elementare Bedürfnisse: sich selbst versorgen zu können, etwas Nützliches zu tun, die Familie zu ernähren und einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Ein Arbeitsplatz gibt einem Menschen die Gelegenheit, eine positive Rolle in der Gemeinschaft zu spielen, ein gesundes Selbstbild zu entwickeln und sich von negativen Einflüssen und der Verführung zu illegalem Handeln fernzuhalten. In vielen Ländern gilt ein Arbeitsplatz als so bedeutend für die menschliche Existenz, dass der Zugang dazu als grundlegendes Menschenrecht betrachtet wird. Die Folgen von Beschäftigungslosigkeit sind, vor allem bei Männern, häufig Depression und Gewalt.
Nach dem Gefängnis einen Job zu finden, ist allerdings alles andere als einfach. »Ich habe die Diskriminierung gesehen und erlebt, wie es ist, wenn man das Kreuzchen machen muss«, sagt Susan Burton, die selbst im Gefängnis war und heute entlassenen Frauen hilft, wieder eine Erwerbstätigkeit zu finden. Das »Kreuzchen« bezieht sich auf die Frage im Bewerbungsbogen, ob man jemals straffällig geworden ist. »Das gilt nicht nur bei der Arbeit«, erklärt Burton. »Auch bei der Wohnungssuche. Beim Antrag auf einen Platz in einer Schule. Bei Sozialhilfeanträgen. Bei allem.«21
Fast jeder Bundesstaat lässt zu, dass Arbeitgeber Menschen wegen alter Haftstrafen diskriminieren. In den meisten Bundesstaaten dürfen Arbeitgeber sogar Menschen eine Anstellung verweigern, die zwar einmal verhaftet, aber nie verurteilt wurden. Nur zehn Bundesstaaten verbieten, bei der Auswahl der Bewerber Verhaftungen zu berücksichtigen, ganze drei Bundesstaaten verbieten dies bestimmten Arbeitgebern und für manche Berufe.22 Für immer mehr Berufe verbieten die Genehmigungsbehörden Arbeitgebern, Personen mit krimineller Vergangenheit einzustellen, auch wenn ihre Taten rein gar nichts mit diesen Berufen zu tun haben.23
Als Folge dieser diskriminierenden Gesetze müssen ehemalige Straftäter bei jeder Bewerbung für einen Job, sei es als Hundefänger, Busfahrer, Kassierer bei Burger King oder als Buchhalter das fatale »Kreuzchen« machen. Meistens kommt es dann gar nicht mehr zu einem Bewerbungsgespräch. Einer Studie zufolge sagen 90 Prozent der Arbeitgeber, sie würden einen Sozialhilfeempfänger für eine frei gewordene Stelle in Betracht ziehen, hingegen kommen nur bei 40 Prozent ehemalige Straftäter in die engere Auswahl.24 Eine Untersuchung bei 122 kalifornischen Arbeitgebern hat gezeigt, dass die meisten Arbeitgeber eventuell einen wegen eines geringfügigen Delikts Verurteilten einstellen würden, die Zahl für die wegen einer schweren Straftat Verurteilten aber sehr viel geringer war. Weniger als ein Viertel waren bereit, über die Beschäftigung eines Drogentäters nachzudenken, nur 7 Prozent, wenn es sich bei der Straftat des Bewerbers um ein Eigentumsdelikt handelte, und weniger als 1 Prozent bei Gewaltverbrechern.25 Selbst diejenigen, die hoffen, selbständig arbeiten zu können â etwa als Frisör, Maniküristin, Gärtnerin oder Berater â, müssen womöglich erkennen, dass sie wegen einer früheren Verhaftung oder Verurteilung keine Genehmigung dafür bekommen, selbst wenn ihr Vergehen überhaupt nichts mit ihrer beruflichen Kompetenz zu tun hat.
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