Porn Chic by Steffen Nicola

Porn Chic by Steffen Nicola

Autor:Steffen, Nicola
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
Herausgeber: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2014-04-14T16:00:00+00:00


AUFLÖSUNG DER PRIVATSPHÄRE, ODER: PERMANENTE SELBSTDARSTELLUNG

Celebrity-Kult und Designer-Vagina: Inbegriffe des Schönheitswahns

Von der Medienwissenschaft wissen wir, dass Bilder Auswirkungen im wirklichen Leben haben können. Die Pornografie schafft, wie andere Medienbilder auch, eine Welt, von der wir zu einem bestimmten Grad wissen, dass sie nicht wahr ist. Aber es wäre falsch zu behaupten, weil Pornografie kein genaues Abbild der wirklichen Welt sei, habe sie keine realweltlichen Auswirkungen. Zum Beispiel wissen Frauen sehr wohl, dass die Bilder der Models in der Werbung manipuliert sind, dass sie eine technisch verbesserte Version der Realität sind. Das hält sie aber nicht davon ab, die Produkte dennoch zu kaufen, in der Hoffnung, dass sie dem Bild einer unwirklichen Frau nacheifern können. Egal wie fantastisch die Bilder der Frauen sind, sie beeinflussen in unterschiedlichem Maße das »weibliche« Leben. Ein eindrucksvolles Beispiel für die Reichweite der Medienbilder ist das Wachstum der Schönheitschirurgie. Menschen lassen sich nicht operieren, weil ihr Nachbar nebenan oder die engste Freundin besser aussieht. Nein, die Vorbilder stammen aus den Medien. Der »American Society of Aesthetic and Plastic Surgery« zufolge ist die Zahl der kosmetischen Eingriffe in den letzten zehn Jahren um 465 Prozent gestiegen: Über zwölf Millionen Eingriffe werden jährlich vorgenommen (Fettabsaugen, Lifting, das »Gesamtpaket«, das Bauchstraffung, Brust-OP und Gesichtsverjüngung beinhaltet). Jährlich werden 12,5 Milliarden Dollar für kosmetische Chirurgie ausgegeben, und auch diese Summe steigt.

Schon 1995 konstatiert die Publizistin Ebba Drolshagen in ihrem Buch Des Körpers neue Kleider. Die Herstellung weiblicher Schönheit, heute werde das als weiblich betrachtet, was herkömmlich als unweiblich galt, nämlich ein hochgewachsener, magerer Körper ohne Kurven – außer den Brüsten. Das Ablehnen weiblicher Kurven sei charakteristisch für das heutige Schönheitsideal. Die Psychoanalytikerin Ingrid Olbricht glaubt, dass Brüsten für das Schönheitsideal deshalb eine dermaßen große Bedeutung zugeschrieben wird, »weil sie das Einzige sind, was vom Frauenkörper noch sein darf«. Sie hat eine Vermutung, wo dies hinführt: den weiblichen Körper einerseits abzuwerten, auf der anderen Seite »das wenige, was noch geduldet wird – nämlich die Brust –, überzubewerten und zur Schau zu stellen«. Das hat zur Folge, dass Brüste übermäßig stark sexualisiert werden.

In den letzten 100 Jahren gab es Zeiten, in denen dieses Schlankheitsgebot vorübergehend nicht galt. Im Nationalsozialismus und in den 50er Jahren waren »weibliche Kurven« erwünscht. Dieses eher runde Körperideal war kennzeichnend für die damals geschätzte Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter. In den 20er Jahren wurde hingegen bereits ein ungewöhnlich schlankes Körperideal proklamiert. Antoni-Komar sieht hier eine Verbindung zur Entstehung der Frauenbewegung und dazu, dass Frauen in vielen westlichen Ländern das Wahlrecht zugeteilt wurde.

Für die englische Kultursoziologin Janet Wolff ist es kein Zufall, dass das weibliche Schönheitsideal gerade heute, wo Frauen mehr Rechte haben denn je, mehr Einfluss, mehr Selbstbestimmung und mehr Vermögen, so schlank und rigide ist wie nie zuvor. Als die Frauen vermehrt in männlich dominierte Gebiete vordrangen, mussten »lustfeindliche« Maßnahmen von den Männern ergriffen werden, um sie auf ihre Plätze zu verweisen, so Wolff. Da sie nicht mehr im Haus gehalten werden konnten, war das neue Gefängnis ihr eigener Körper. Eine ähnliche Dynamik sieht Kinnick in



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