KAIRO SUNSET Meine Suche nach Liebe, Gott und der Wahrheit by G. Willow Wilson

KAIRO SUNSET  Meine Suche nach Liebe, Gott und der Wahrheit by G. Willow Wilson

Autor:G. Willow Wilson [Wilson, G. Willow]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426408889
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2015-08-21T16:00:00+00:00


Ich war seit sechs Monaten Muslimin, und trotzdem war ich nie zum Freitagsgebet gegangen. Nach all den Monaten, in denen ich die Predigten des Hammers unfreiwillig mit angehört hatte, schlich sich bei mir der Verdacht ein, dass die Freitagspredigten meinem Glauben wohl mehr schaden als nutzen würden. In meiner Vorstellung war der Islam einerseits durch die aktuelle, ebenso platte wie aggressive Auslegung geprägt, die der Hammer vertrat, und andererseits durch seine ätherische, unerreichbare Vergangenheit, für die die Schmetterlingsmoschee stand. Zwischen den beiden war der Qur’an einzuordnen, der mitunter mit beiden Auslegungen so gar nichts gemein zu haben schien. In seinen Worten schien die Ewigkeit aufzublitzen, schien sich der Vorhang zwischen der geringeren und höheren Form der Wahrheit ein für alle Mal zu lichten. Etwas so Schwerfälliges wie die organisierte Religion konnte ihm meiner Ansicht nach nicht gerecht werden.

Über dieses Problem hatte ich mich bereits mit Anhängern anderer Glaubensrichtungen unterhalten: über die ganz eigene Musik der heiligen Bücher, die sich in der Kleinlichkeit des Alltagsglaubens kaum je widerspiegelte. Eine christliche Freundin aus Colorado las mir einmal ihre Lieblingsstelle im Buch Hiob vor: »Und nachdem diese meine Haut zerschlagen ist, werde ich ohne mein Fleisch Gott schauen.« Sie schwieg einen Augenblick lang, dann sagte sie: »Dorthin werden wir nie kommen.« Als ich ein halbes Jahr lang in Ägypten gelebt hatte, wusste ich, was sie gemeint hatte. Ich hatte genug gesehen von der Bürokratie bei einem Glaubensübertritt und von völlig unfähigen Scheichs, um mich zu fragen, ob der moderne Muslim je »dorthin kommen« konnte. Als ich mich also bereit machte, zum ersten Mal zum Freitagsgebet in eine Moschee zu gehen, wappnete ich mich innerlich gegen die drohende Enttäuschung.

Ich hätte Omar vertrauen sollen, dessen Glauben an das Gute gewöhnlich vom Schicksal belohnt wird. Omar entdeckt überall einen Hauch von Poesie. Er nahm mich zum Gebet in die Sultan-Hassan-Moschee mit, ein riesiges mittelalterliches Bauwerk in der Altstadt, unterhalb der Zitadelle, die Saladin im 12. Jahrhundert hatte errichten lassen. Unter der Woche steht sie bis zum Sonnenuntergangsgebet auch Touristen offen, am Freitag aber ist sie nur für die Gläubigen da. Wir stellten den Wagen ein paar Straßen weiter ab und gingen zu Fuß, zusammen mit vermutlich mehr als tausend anderen Muslimen. Der Eingang der Moschee ragte turmhoch vor uns auf. Wir zogen unsere Schuhe aus. Ein breiter Korridor aus Stein führte zum zentralen Innenhof. Wie so viele Moscheen in den von Trockenheit geplagten muslimischen Ländern öffnete sich auch diese zum Himmel. Man muss sich das vorstellen wie eine Kathedrale ohne Dach. Der quadratische Innenhof mit seinen farbigen Keramikplatten ist mit vier Iwanen angelegt, offenen, reichgeschmückten Gewölben. Jeder dieser Iwane steht für eine der vier sunnitischen Rechtsschulen. Die Seite, die dem Imam direkt gegenüber liegt, ist für die Frauen reserviert. Die Männer beten im offenen Hof. Da das Gewölbe Schatten spendet und die Steinplattform, auf der die Frauen beten, ein wenig erhöht ist, ist die Sultan-Hassan-Moschee eine der wenigen, in denen der Gebetsraum der Frauen besser ausgestattet ist als der der Männer. Als Omar und ich ankamen, reihten Männer und Frauen sich schon für das Gebet auf.



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