Die Frauen vom Jungfernstieg. Antonias Hoffnung by Lena Johannson

Die Frauen vom Jungfernstieg. Antonias Hoffnung by Lena Johannson

Autor:Lena Johannson
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2021-06-01T12:59:59.599000+00:00


13

Irma

Französische Karikaturen. Irma hatte den Moment noch genau vor Augen, als Gerda ihr von der Idee erzählt hatte.

»Gewiss erinnerst du dich an Mary, die Tochter des verstorbenen Senators Hertz. Sie hat in Florenz einen Franzosen getroffen, der in seiner Heimat bereits Furore macht. Außerhalb Frankreichs ist er gänzlich unbekannt. Irma, ich habe Karikaturen von ihm gesehen. Sie sind gleichermaßen charmant und mutig. Ich will, dass die Hamburger seine Werke sehen.«

Die Vorbereitungen des Salons waren anregend gewesen. Das war wirklich mal etwas Neues. Gerda konnte sie doch immer wieder überraschen. Eigentlich bildete sich Irma etwas auf ihre Menschenkenntnis ein, doch bei Gerda und Oscar hatte sie meilenweit daneben gelegen, als sie sie damals bei ihrer Hochzeit kennengelernt hatte. Sie hatte Gerda doch tatsächlich für eine dieser Frauen gehalten, die sich mehr für Kuchen interessierten als für Kunst. Irma musste lächeln. Dass Gerda auch süßem Gebäck sehr zugetan war, konnte man schwerlich übersehen. Warum auch nicht alle Facetten des Lebens genießen? Zumal die Künste bei Gerda eben auch nicht zu kurz kamen. Im Gegenteil, sie verfügte über einen bewundernswerten Sachverstand. Mit diesem Gaston Faumier würde sie mal wieder einen Treffer landen, dessen war sich Irma sicher. Hoffentlich handelte es sich nicht um einen so schwierigen Charakter, wie Schukowski es gewesen war. Morgen sollte er aus Marseille anreisen. Gerda hatte ihr anvertraut, dass er seine Karriere in Frankreich wohl mehr oder weniger unfreiwillig gedrosselt habe.

»Wie das?«

»Er hat sich mit Präsident Émile Loubet angelegt. Er hat ihn gezeichnet, wie Loubet in einer Kirche das Kreuz durch Winkelmaß und Zirkel ersetzt, das Symbol der Freimaurer«, erklärte Gerda ihr vertraulich.

»Frankreichs Präsident ist doch bekannt dafür, Freimaurer zu sein. Wo liegt also das Problem? Ich meine, das war doch nie ein Geheimnis.«

»Es muss wohl die Darstellung des Präsidenten gewesen sein. Er soll diabolisch gelächelt und sich die Hände gerieben haben.« Gerda verzog vielsagend das Gesicht. »Faumier wurde angeklagt, aber nicht verurteilt. Er hätte sechs Monate im Gefängnis landen können. Da er jedoch versprach, seine Zeichnung nicht mehr öffentlich zu zeigen, wurde er gewissermaßen begnadigt.«

»Das zeugt nicht gerade von einem starken Rückgrat«, hatte Irma eingewandt.

»Du findest, er hätte lieber ins Gefängnis gehen sollen? Vielleicht. Nun, wir werden auch ohne diese eine Zeichnung eine aufsehenerregende Ausstellung präsentieren können.«

Irma machte sich am nächsten Tag zeitig auf den Weg. Immerhin hatte sie sich etwas Besonderes einfallen lassen. Es hatte ein wenig Überredungskunst erfordert, doch schließlich hatte Gerda zugestimmt. Die beiden Räume hatten sich für die Vernissage in ein französisches Künstlerlokal verwandelt. Die Besucher würden sich fühlen wie auf dem Montmartre.

»Schukowski wollte, dass seine Gemälde Platz haben, dass keine Möbel im Weg stehen und die Betrachter nicht träge werden und lange sitzen. Du warst skeptisch, musst aber zugeben, dass sein Konzept aufgegangen ist«, hatte sie Gerda erinnert. »Karikaturen erfordern eine gewisse Offenheit, sie wollen sich einerseits lustig machen, andererseits zum Denken anregen. Ich glaube, eine federleichte Atmosphäre würde den steifen Hanseaten helfen, sich darauf einzulassen.«

Das hatte Gerda schnell eingeleuchtet. Vor allem die Vorstellung, dass sie als Gastgeberinnen und auch die Dienstboten sich verkleiden sollten, gefiel ihr, vermutete Irma.



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