Die Entführung des Generals by Patrick Leigh Fermor

Die Entführung des Generals by Patrick Leigh Fermor

Autor:Patrick Leigh Fermor [Fermor, Patrick Leigh]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Dörlemann Verlag AG, Zürich
veröffentlicht: 2015-06-04T16:00:00+00:00


Aber so ganz war ich das nicht. Billy und ich glaubten beide daran, daß diesmal alles gutgehen würde. Die Partisanenführer von Rodakino erwiesen uns alle Ehre: Lange bevor das Schiff zu erwarten war, würden achtzig oder hundert gut bewaffnete Männer in den Bergen warten, um die Pässe zum Inselinneren abzuriegeln, und sie würden die Bergflanken heruntergestürmt kommen, falls es im letzten Moment noch Ärger gab; sie konnten diese Thermophylen zwischen Meer und Gebirge gegen ein ganzes Regiment verteidigen.

Aber es ist nie leicht, von Kreta fortzugehen, und jetzt war es schwerer denn je. Die Küste setzte sich rechts und links in unzähligen gebirgigen Windungen fort, und jede einzelne Bucht war in der lupenreinen Luft in allen Einzelheiten so präzise zu erkennen wie die Felsen, zwischen denen wir lagerten; sie verloren ihre Klarheit erst, wenn sie unter dem Horizont verschwanden. Viele Faden weit zu sehen, stürzten sie sich am Ende in die pfauenblauen Fluten zu den Tiefen des Libyschen Meers, so weit vom Ufer entfernt wie die großen zerklüfteten Bergkämme in unserem Rücken von uns. Nur die Insel Gavdos durchbrach das Glitzern der gewaltigen See. Die Klippenstufen unter uns waren ein Dschungel aus Thymian, Sonnenröschen, Heide, Myrten, Erdbeerbäumen und Eisenkraut, Oleander markierte die fels- und kieselübersäten Betten der Bergbäche, und die Luft war schwer vom Kräuterduft. Wer hätte all das, die Nachtigallen, die Laute von den Schafweiden, die Rufe der Hirten von Berg zu Berg, das Hallen von Schüssen in den menschenleeren Schluchten, gegen Straßenbahnglocken und Palisanderbäume tauschen wollen, gegen Aaskrähen und Muezzins?

Und die Kreter? Mehr als nur einmal ist auf diesen Seiten von ihrer Freundlichkeit und Großzügigkeit die Rede gewesen, von jener Seite des kretischen Lebens, das dem Wort »Waffenbrüderschaft« plötzlich eine so profunde Bedeutung verschafft; es gab vieles, dessentwegen einem der Abschied schwerfallen konnte, auch wenn ich ja hoffte, daß ich von dem laufenden Kampf nur kurz abwesend sein würde; nicht weil ich meine Anwesenheit für unabdinglich hielt, ganz und gar nicht; aber wir hatten diesen Kampf gemeinsam geführt, mancherlei Freundschaft war im Laufe dieser Jahre geknüpft worden, und am Ende hatte die Herkunft kaum noch eine Rolle gespielt. Heute gehörten wir zu diesem Kampf dazu, auch wenn die Umstände, unter denen wir gekommen waren, noch so absonderlich gewesen waren.

Als die Deutschen auf Kreta landeten, hatten ihre Armeen ganz Europa geschlagen, mit Ausnahme Englands – was vielleicht nur dem glücklichen Zufall des Ärmelkanals zu verdanken war. Auf dem Festland war Frieden geschlossen worden, und die gesamte kretische Division saß nun dort fest. Es wäre zu erwarten gewesen, daß die Zivilbevölkerung untätig blieb, solange die Profis – die Briten, Commonwealthtruppen und eine Handvoll griechischer Soldaten – den Kampf mit den Eindringlingen ausfochten. Doch zur großen Verblüffung beider Seiten erhoben sich überall auf Kreta Gruppen von Einheimischen – Dorfbewohner, Hirten, alte Männer, Jungs, Mönche, Priester, sogar Frauen, ohne daß sie sich miteinander abgesprochen hatten, ohne großen Plan, ohne Waffen, ohne daß die offiziellen Verteidiger sie dazu aufgerufen hätten – und stürzten sich mit solcher Selbstverständlichkeit auf die Eindringlinge, als sei die deutsche



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