All you need is less by Folkers/Paech & Manfred Folkers & Niko Paech

All you need is less by Folkers/Paech & Manfred Folkers & Niko Paech

Autor:Folkers/Paech & Manfred Folkers & Niko Paech [Folkers/Paech]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
ISBN: 978-3-96238-510-1
Herausgeber: oekom, München
veröffentlicht: 2020-07-14T16:00:00+00:00


Konsum versus Suffizienz

Wie nachhaltiger Konsum zum Moralsubstitut wurde

Erneuerungsprozesse, die auf ökologisch effizienten oder konsistenten Lösungen basieren, bestätigen das Konsumprinzip. Das Resultat sind optimierte Produkte und Dienstleistungen, die als nachhaltiger Ersatz für bisherige Güter angeboten werden. Diese Strategie beruht grundsätzlich nicht darauf, die Konsumnachfrage zu reduzieren, sondern nur in eine andere Richtung zu lenken. Dennoch kommt Nachfragern dabei eine neuralgische Rolle zu. Passivhäuser, Solarstrom, E-Mobile, nachhaltige Textilien, Bionade, das Fairphone oder andere Innovationen können trivialerweise keine Umweltentlastung bewirken, wenn sie sich nicht verbreiten, also auf hinreichende Nachfrage treffen. Der hierzu erforderliche Wandel auf der Konsumseite beschränkt sich allerdings darauf, die nötigen Informationen zu beschaffen und zu verarbeiten, sodann die entsprechende Entscheidung für nachhaltige Güter zu treffen, gegebenenfalls Nutzungsroutinen zu wandeln (wenn beispielsweise vom Eigentum am Pkw zum Carsharing übergegangen wird), nötigenfalls den Anbieter zu wechseln – manchmal reicht auch einfach der Griff in ein anderes Regalfach oder ein Mausklick – und schließlich das alternative Warenangebot zu finanzieren. Letzteres wird oft als zentrales Hindernis angesehen, zumal die Kosten- und Preisunterschiede zwischen konventionellen und nachhaltigen Gütern bisweilen beträchtlich ausfallen können.

Dennoch verzeichnen nachhaltige Konsumalternativen fortlaufend Umsatzsteigerungen, ganz gleich in welchen Bedarfsfeldern. Um diese Tendenz zu verstehen, bietet es sich an, auf eine von Priddat angeregte Unterscheidung zurückzugreifen zwischen einer kulturkritisch geprägten »älteren Moral«, die bis ins 20. Jahrhundert hinein anzutreffen war, und einem »neuen Moraldesign«.13 Erstere habe darin bestanden, Handlungen ursachenadäquat zu unterbinden oder einzuschränken, die in ihren Konsequenzen nicht akzeptiert werden konnten. Verbote und restriktive Freiheitsregulierungen waren für vordemokratische Strukturen typisch und mögen insofern notwendig oder schlicht alternativlos gewesen sein, als es an technischen Möglichkeiten oder Ersatzlösungen mangelte, um die Folgen gesellschaftlich nicht hinnehmbarer Verhaltensweisen zu beseitigen. Gleichwohl existierten Ausnahmen von diesem ursachenadäquaten Prinzip: wenn die betreffende Person imstande war, Schäden zu begleichen, indem sie diese auf eine Weise kompensieren konnte, die als angemessen galt, also sich von Schuld freikaufen konnte. Dies betraf beispielsweise den mittelalterlichen Ablasshandel, durch den sich einschränkende Handlungsregulierungen jedoch nur sehr bedingt umgehen ließen.

Selbstredend ließ sich dieser restriktive Moralmodus im Zuge umfänglicher Modernisierungstendenzen kaum aufrechterhalten. Denn technische und ökonomische Fortschritte brachten Problemlösungen hervor, von denen sich erwarten ließ, dass sie als additives, zumal schmerzloses Therapeutikum für soziale und ökologische Wohlstandsfolgen hinreichend wirksam sein könnten, sodass unbequeme Restriktionen erspart bleiben konnten. Wäre beispielsweise der geregelte Dreiwegekatalysator nie verfügbar oder für Autofahrer nicht finanzierbar gewesen, wären Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs als einzig plausible Problemlösung verblieben. Kaum war diese Technologie ausgereift, verstummten alle Debatten über Geschwindigkeitsbeschränkungen oder autofreie Innenstädte. Durch einen technischen Appendix konnte die moralische Integrität des Autofahrens gewahrt werden.

Ähnlich bezweckt heute das CCS-Verfahren (Carbon Capture and Storage), die Kohleverstromung durch eine Abscheidung und sichere Verbringung des CO2 weiterbetreiben zu können. Fotovoltaikanlagen sollen verhindern, dass Stromverbräuche reduziert werden müssen. Eine rückstandsfreie Kreislaufwirtschaft soll die Vermeidung von Einwegverpackungen ersparen. Mülltrennung und Energiesparbirnen auf Kreuzfahrtschiffen sollen deren Betrieb gegen kritische Einwände sichern. Der moderne Moralmodus ist dadurch geprägt, dass er keine Freiheiten unterbindet. Im Gegenteil: Infolge seines additiven Charakters lässt er sogar Handlungsspielräume und neue Verdienstmöglichkeiten entstehen, wie die »Energiewende« und andere »grüne« Branchen zeigen.



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