Agent 6 by Tom Rob Smith

Agent 6 by Tom Rob Smith

Autor:Tom Rob Smith [Smith, Tom Rob]
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2010-06-05T22:00:00+00:00


Hauptquartier der 40. Armee

Tapa-e-Tajbeg-Palast

Zehn Kilometer südlich von Kabul

Am selben Tag

Der Palast thronte auf einer Hügelkuppe mit Blick in ein Tal, hinter dem in der Ferne eine Bergkette aufragte – ein malerischer Standort, um die Besatzung Afghanistans zu leiten. Nach internationalen Maßstäben fiel der Palast bescheiden aus, er glich eher einem Herrenhaus, einem kolonialen Außenposten oder der Datscha eines Präsidenten, kein Vergleich zu den prunkvollen Zarenresidenzen. Mit seinen blassen Farben, den Säulen und großen Bogenfenstern hatte er dem König früher als Sommerpavillon gedient, wenn er der Hektik seiner Hauptstadt überdrüssig wurde. Der Hügel fiel so steil ab, dass nur der Palast auf seiner Kuppe Platz fand, die Gärten waren weiter unterhalb terrassenförmig angelegt. Früher hatte ein Schwarm Diener sie für königliche Vergnügungen bewässert und gepflegt, jetzt lagen sie unbeachtet, verwildert und verwittert da, in den vertrockneten Rosenbüschen hingen Zigarettenstummel und Patronenhülsen.

Zusammen mit Nara stieg Leo aus dem Auto. Er trug immer noch die grünen Flipflops und die Kleidung, in der er am Vortag in den See gegangen war. Er war schon früher in den Palast zitiert worden, wie ein Missetäter, um sich vorwerfen zu lassen, er würde keine angemessene Uniform tragen und sich nicht rasieren. Die Äußerungen stammten von Männern, die erst kurz zuvor angekommen waren und noch nicht begriffen hatten, welch enorme Aufgabe vor ihnen lag; Männer, die an kleinlichen Regeln festhielten, während sich ganze Divisionen absetzten und das afghanische Militär auseinanderbrach. Obwohl er ihre Kritik nicht weiter beachtet hatte, bezweifelte er doch, dass sie ihn deshalb noch einmal ermahnen würden. Seitdem waren mehrere Monate vergangen – Leos Vorgesetzte hatten sich längst mit größeren Problemen beschäftigen müssen.

Sie wurden in den Palast geführt und knapp vorgestellt. Dem sowjetischen Führungsstab war es extrem peinlich, dass ein Mitglied aus seinen Reihen verschwunden war, und es gefiel ihm nicht, Leo und Nara dort zu haben, vor allem nicht mit der Unterstellung, Nara könnte bei etwas helfen, bei dem die eigenen Männer versagt hatten. Die Innenräume waren durch Kämpfe beschädigt, die königliche Leichtlebigkeit hatte der Krieg entthront. Kunstvolle, dekorative Antiquitäten dienten jetzt praktischen Zwecken und trugen wuchtige Funkgeräte. Die Ausrüstung der Armee, die den Palast besetzt hielt, war hässlich und passte nicht in die Umgebung; der ursprüngliche Zweck des Gebäudes, Vergnügen, Dekadenz und Schönheit, interessierte die strengen neuen Bewohner nicht. Landkarten mit eingezeichneten Panzerstellungen und Armeedivisionen hingen an Wänden, von denen früher Kunstwerke und königliche Porträts herabgeblickt hatten.

Sie wurden in die Wohnbereiche gebracht. Den vermissten Offizier hatte man mittlerweile zum Deserteur erklärt, ohne das Ergebnis der Ermittlung abzuwarten. Allerdings konnte sich Leo ehrlich gesagt nicht vorstellen, was mit dem Mann sonst geschehen sein sollte. Er hieß Fjodor Masurow und war mit Anfang dreißig jung für einen so wichtigen Posten. Er war bewundernswert schnell aufgestiegen. Anhand seiner Akte fiel Leo auf, dass Masurow im Ausland keine und im Kampf nur wenig Erfahrung gesammelt hatte. Er war ein Karrieresoldat, und Leo konnte sich gut vorstellen, welchen Schock er bei seiner Ankunft in Afghanistan erlitten hatte, so weit entfernt von seiner vertrauten Umgebung. Nara fragte:

– Warum sind wir hierhergefahren? Wir wissen doch, dass er in Kabul ist.



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