Wilder Forst by Wolfgang Grund

Wilder Forst by Wolfgang Grund

Autor:Wolfgang Grund
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Books on Demand
veröffentlicht: 2018-12-15T00:00:00+00:00


14. ABGEZWEIGT, 4 MIN

Der Samstagnachmittag gehörte ihm. Das hatte er mit Korbinian Huber, dem Huber Bauern, schriftlich festgelegt.

Dass er Eberhard Josef Kranzinger hieß, wusste kaum einer.

Er war ein gestandener Mann Mitte 50 mit leichtem Bauchansatz. Sein braunes Haar lichtete sich an Hinterkopf schon leicht und umrahmte ein rundes Gesicht mit knolliger Nase, struppigen Augenbrauen und Vollbart. Seine Haut spannte sich noch faltenfrei über die Wangenknochen.

Alle nannten ihn den oiden Sepp. Seit Jahrzehnten schuftete er auf dem Huberhof. Er besserte schadhafte Viehzäune und Dächer aus, reparierte defekte Traktoren und Stromleitungen, schlug Holz im Wald und schichtete es zu hohen Stößen.

Er war wortkarg, konnte jedoch ausgezeichnet zuhören. Als die Telekom ein Glasfaserkabel zum Huberhof legte, eröffnete sich für ihn eine neue Welt.

Seine Nichte Isolde, die jeden Freitag Eier holte, half ihm bei Einstieg ins Internet und programmierte sein Smartphone. „Du stellst di vei gar ned so deppad a“, bescheinigte sie ihm wohlwollend.

Eberhard Josef Kranzing war gelehrig. Bald wusste er seine Kenntnisse gewinnbringend zu nutzen. Er war kreativ und verschwiegen. Er kassierte diskret und legte alles für seinen großen Plan auf die Seite. Nein, nicht in einen Sparstrumpf unter die Matratze. Isoldes Ehemann Eugen riet ihm, in Aktien und Goldbarren zu investieren. Eugen leitete die Sparkassenfiliale in Kusterhausen und war ein Experte in Sachen langfristiger Geldanlagen.

Sepps Entlohnung war nicht üppig, dafür waren Kost und Logis frei. Seit dem Ableben der Huber Vroni, der molligen und immer gut gelaunten Bäuerin, verschlechterte sich die Qualität des Essens rapide. Der Bauer hatte diese Zicke Ludmilla aus dem Urlaub mitgebracht. Jetzt fuhr der „Eismann“ - Kühlwagen jeden Dienstag zum Huberhof und versorgte alle mit TK-Kost.

Spanferkelbraten mit Kraut und Knödeln kam nicht mehr auf den Tisch. Den Bauern schien das nicht zu stören. Der hatte nur Augen für sein „Goldschätzchen“. Sepps Ansicht nach waren die blonden Locken der Angebeteten ein Produkt chemischer Behandlung. Auch die üppige Oberweite hielt er für „gekauft".

Dem Kranzinger war das egal. Seine Tage als Knecht auf dem Huberhof waren ohnehin gezählt. Darauf hatte er lange hingearbeitet.

Heute, an seinem freien Nachmittag, war er im Wilden Forst unterwegs. Mit dem grünen Wolljanker, der braunen Cordhose und der grob gestrickten Schafwollmütze bildete er eine Einheit mit dem Wald. Hier war sein Revier. Er kannte jeden Fuchsbau, jeden Schleichweg und jedes Versteck.

Dass hier in letzter Zeit zu viele Leute unterwegs waren störte ihn gewaltig. Allein an diesem Samstag hatte er einen streunenden Hund, zwei Radler, ein kleines Kind, einen Jogger, zwei ältere Herrschaften, einen Motorradfahrer und einen hochgewachsenen Mann mit Pfeil und Bogen beobachtet. Dazu kam eine starke Zunahme waldfremder Geräusche. Da bellten Hunde, brüllten Kinder, brummten Motoren und jetzt surrte es auch noch am Himmel über ihm.

Er blickte durch die Baumwipfel nach oben. Braute sich in den dunklen Wolken ein Schneeschauer zusammen? Ein Raubvogel nutzte die Thermik und kreiste unter lauten Klagerufen in den Lüften. Sepp konnte kein weiteres Flugobjekt ausmachen.

Er zog die Mütze tiefer ins Gesicht, spuckte in die Hände und riss mit einem Ruck den Pfahl aus der Erde. In der einen Hand den Holzhammer, in der anderen den Wegweiser schritt er durch die Plantage mit den Weihnachtsbäumen.



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