Weißwurst für Elfen by Bettina Brömme

Autor:Bettina Brömme [Brömme, Bettina]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimis & Thriller
veröffentlicht: 2015-08-27T16:00:00+00:00

Ich war um zehn nach neun in der Agentur und nahm den Aufzug. Als ich ausstieg, fing mich Li ab. Sie trug tatsächlich eines dieser Tops, die ich mich nie in die Arbeit anzuziehen getraut hatte, und präsentierte einen ziemlich eindrucksvollen Ausschnitt. Darüber hatte sie lässig eine cremefarbene Lochstickerei-Stola gelegt, die die Oberarme kaschierte und mit einem Gürtel um die Taille an ihrem Platz gehalten wurde, so dass sie fast wie eine Wickelstrickjacke aussah. Sie hatte wohl auch das Make-up gefunden, denn ihre Augen schimmerten dunkel, die Wangen blassrosa.

»So flott heute, Natascha«, kam der prompte Kommentar von Reinhard, der gerade die Agentur betrat. Li sah mich dagegen sprachlos an. Sie zerrte mich zur Eingangstür und in das gleich daneben liegende Damenklo.

»Der Aufzug ist für dich defekt – immer! Verstanden?«, keifte sie. »Und was hast du da an?« Ich sah an mir herunter. Ich hatte gedacht, ich sähe umwerfend aus. Zugegeben, ihr Ankleidezimmer war heute Morgen in der Eile sicher ein wenig durcheinander geraten, aber insgesamt hatte ich die Sache ganz gut hinbekommen. Oder nicht?

Sie zerrte sofort an der schwarzen Leggins.

»Niemals über den Knöchel runterziehen, kapiert! Eine Leggins – die ich normalerweise höchstens auf dem Weg zu und vom Fitnessstudio anziehen würde – eine Leggins darf nie ganz runtergezogen werden. Höchstens bis fingerbreit über die Knöchel. Das ist doch sonst total assig. Und wie kannst du weinrote Sandalen dazu anziehen? Noch dazu so flache!«

Ich fand die etwa fünf Zentimeter hohen Absätze schon ziemlich verwegen. Und die Farbe hatte mir einfach gefallen.

»Und wo hast du diese Bluse gefunden? Zwischen den Putzlappen?« Ich sah an mir herunter. Die Bluse war blau-lila changierend, hatte vorne einen Reißverschluss und statt Ärmeln wölbte sich der Stoff leicht über die Oberarme. Lässig, fand ich.

»Scheiße«, sagte sie. »Die kannst du zu einem XS-Mini-Rock anziehen, aber nicht zu einer Leggins. Und das allergrößte Verbrechen ist natürlich diese Tote da.« Ich zuckte zusammen. Welche Tote? Hatte mein Aussehen vielleicht eine Putzfrau, die geräuschlos hinter mir aus der Toilette gekommen war, tot zusammenbrechen lassen? Panisch sah ich mich um. Der Fliesenboden strahlte mir nackt und glänzend entgegen. Li zog an der braunen, schmalen Handtasche mit dem kurzen Henkel, der um mein Handgelenk gewunden war.

»Eine Tooo-tiii«, sie dehnte das Wort nun in breitem US-Slang, »kann man abends bei einer Party untern Arm klemmen oder so. Aber doch nicht mit ins Office nehmen. Ich glaub, es hakt.« Ich atmete erleichtert auf. Kein unschuldiges Fashion-Victim, das auf meine Rechnung ging, da hatte ich aber echt Glück gehabt.

»Nein? Was nehme ich dann ins Office …«, ich betonte das Wort kokett , »… mit?«

»Na, ich hab doch genug Shoulder-Bags, ist dir das nicht aufgefallen?« Ich nickte ergeben.

»Vielleicht machst du mir so Kärtchen und malst auf, was wozu passt, damit ich auch ja nichts falsch mache.«

Sie lächelte sarkastisch. »Man muss sich für das Thema Beauty schon interessieren, wenn man eine seine will. Und du hast mir den Körper geklaut, da kannst du dir die Arbeit selbst machen.«

»Ich hab ihn dir nicht geklaut!« stieß ich zornig aus.

»Schon gut«, wiegelte sie ab.

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