Weg in die Dunkelheit 1 by O'Rourke E

Weg in die Dunkelheit 1 by O'Rourke E

Autor:O'Rourke, E
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-04-16T04:00:00+00:00


Kapitel 15

»Das Gefäß.« Meine Stimme hallte in dem marmorgetäfelten Fahrstuhl wider. Sogar nach allem, was ich schon gesehen und gehört hatte, kam mir das weit hergeholt vor.

»Es ist ein altmodischer Ausdruck«, pflichtete Evangeline mir bei. »Aber diese Prophezeiung – die sogenannte Sturzflutprophezeiung – ist ein uraltes Dokument, eines der ältesten seit Beginn unserer Geschichtsschreibung.«

»Und sie besagt, dass Verity ein Gefäß ist?«

»Nicht ›ein Gefäß‹. Das Gefäß.«

»Na, das erklärt alles. Was genau besagt diese Prophezeiung?«

»Hat Lucien dir das nicht erzählt? Er hat angedeutet, ihr hättet eine Partnerschaft geschlossen. Ich bin davon ausgegangen, dass er es schon erklärt hätte …« Sie brach geziert ab, als wollte sie ihn nicht in Schwierigkeiten bringen.

»Er ist nicht sehr ins Detail gegangen.«

»Ja, er lässt sich nicht gern in die Karten blicken, nicht wahr?« Sie schenkte mir einen leicht mitleidigen Blick, holte dann Atem und begann in dem gleichen behäbigen Ton zu sprechen, in dem man Psalmen rezitiert. »›Das Gefäß der Drei Talente muss an den Letzten des Feuergezeichneten Hauses gebunden werden. So verbunden soll sie die Linien neu schmieden, in der Stunde, da die Sturzflut hereinbricht, sonst soll diese durch die Welten strömen und all jene zu Staub machen, die unvorbereitet sind.‹«

Ich starrte sie immer noch mit offenem Mund an und versuchte, das alles zu verstehen, als die Fahrstuhltüren sich öffneten und Evangeline mich durch den Flur in einen Verkaufsraum mit weichem Teppichboden scheuchte. »Es ist ziemlich schlimm, wie du siehst. Ohne das Gefäß besteht keine Hoffnung, die Sturzflut aufzuhalten«, sagte sie, als der Mann drinnen auf sie zugeeilt kam, um sie zu begrüßen.

Sie plauderten ein paar Minuten auf Französisch, dann wandte Evangeline sich an mich. »Ich muss ein paar Stücke in Augenschein nehmen, aber das dauert nicht lange. Warum siehst du dich nicht ein bisschen um? Es schadet nichts, einen Blick für Qualität zu entwickeln.«

Alles in dem Laden sah alt und teuer aus. Nachdem ich einmal vorsichtig durch den ganzen Raum geschlendert war, beschloss ich, dass es besser sein würde, mich ruhig in die Ecke zu setzen, bis Evangeline fertig war. Ich suchte mir einen Stuhl aus, der wirkte, als ob er nicht in Zahnstocher zersplittern würde, und ließ mich darauf nieder.

Evangeline drehte eine Runde durch den Raum, so konzentriert, dass ich zu dem Schluss kam, dass sie mich vergessen hatte. Der Händler, Fabian, folgte ihr und war eifrig darauf bedacht, sie mit Informationshäppchen zu füttern. Evangeline nickte dann und wann, schenkte ihm aber niemals auch nur einen Blick. Am Ende blieben sie stehen. Fabian brach in Schnellfeuerfranzösisch aus, faltete die Hände und wippte geradezu auf den Zehenspitzen. Evangeline wandte sich mir zu.

»Was denkst du?«, fragte sie und deutete auf einen hohen Sekretär mit kunstvollen Schnitzereien, der über und über mit verblassten Blumen bemalt war.

»Er ist in Ordnung, schätze ich.« Das war unhöflich, aber schimmelige alte Möbel würden mir nicht helfen, Veritys Mörder zu finden. Dennoch meldeten sich Jahre der Erziehung zu Wort. »Die Blumen sind hübsch«, sagte ich pflichtergeben.

Fabian stieß affektiert einen missbilligenden Laut aus und sah Evangeline zweifelnd an. Er war zierlich und schmierig,



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