Was sich kusst das liebt sich by Manning Sarra

Was sich kusst das liebt sich by Manning Sarra

Autor:Manning Sarra
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: E Books der Verlagsgruppe Random House
veröffentlicht: 2012-03-18T23:00:00+00:00


Kapitel 23

Neve wusste, dass sie über 80 Kilo abgenomen hatte. Dass ihr Hüftumfang von 152 auf 110 Zentimeter geschrumpft war. Dass sie jetzt BH-Größe 75F statt 120I trug. All das war ihr theoretisch bewusst.

In der Praxis jedoch, etwa, wenn sie wie jetzt in der von Neonlicht erhellten Umkleidekabine eines 08/15-Kleiderladens der gehobeneren Kategorie stand und ihr schwabbelndes weißes Fleisch sah, fühlte sie sich nach wie vor fett. Und sie war überzeugt, dass sie auch fett aussah.

Und das Schlimmste war, dass Neve bei jeder Shoppingtour mit ihrer Mutter unweigerlich an die schrecklichen Augustnachmittage denken musste, an denen sie sich gemeinsam auf die Suche nach einer neuen Schuluniform für sie gemacht hatten. Mit vierzehn war sie bereits zu dick für den größten Schuluniformrock gewesen, den es bei Marks & Spencer gab, und musste stattdessen einen marineblauen aus der Übergrößenabteilung nehmen. Ein oder zwei Jahre später war sie wegen ihres Blazers mit demselben Problem konfrontiert gewesen, und ihre Mutter hatte die Erlaubnis erhalten, von ihrer Freundin Agnes einen für Neve nähen zu lassen. Das Ergebnis spannte über der Brust, sah den anderen Schuluniformblazern mit seinen Biesen an den Nähten nicht im Entferntesten ähnlich und war obendrein aus billigem Polyester, sodass Neve jedes Mal einen elektrischen Schlag bekam, wenn sie das Physiklabor betrat.

Charlotte lief zu Höchstform auf, als sie sie das erste Mal darin sah.

Neve kauerte auf dem Bänkchen ihrer Umkleide und vermied es tunlichst, in den Spiegel zu sehen. Wer sah in diesem Licht schon gut aus, noch dazu in der figurformendsten Unterwäsche, die es hierzulande zu kaufen gab? Und was trieb Celia so lange da draußen? Neve hatte gehofft, sie hätte sich klar ausgedrückt, als sie gesagt hatte, sie sei auf der Suche nach einem schwarzen Kleid, aber Celia versuchte ihr stattdessen einen schwarzen Hosenanzug mit smokingartigem Jackett einzureden. »Darin siehst du aus wie Marlene Dietrich.«

Neve hatte sie nur ungläubig angestarrt. Um auszusehen wie Marlene Dietrich hätte sie sich einer umfassenden Schönheits-OP samt Fettabsaugung unterziehen oder besser noch einen Genaustausch vornehmen lassen müssen.

Natürlich hatte auch ihre Mutter gleich ihren Senf dazugeben müssen: »Mit einer schicken schwarzen Hose ist man immer gut angezogen, sei es bei Vorstellungsgesprächen oder wenn man vor Gericht aussagen muss … und natürlich bei Beerdigungen.«

Celia war gut geschult und wusste, dass sie die Umkleide ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht betreten durfte. »Hier, probier die mal an.« Sie reichte Neve zwei Hosenanzüge durch den Spalt zwischen den dünnen Baumwollvorhängen.

»Bringst du mir dann bitte ein paar schwarze Kleider?«, rief Neve. Keine Antwort. Sie hängte die beiden Anzüge wenig begeistert auf. Warum hatte ihr Celia Größe 42 gebracht? Den in Größe 44 würde sie anprobieren, um ihren guten Willen zu zeigen – und um zu demonstrieren, dass »Mission Marlene« an ihrem gebärfreudigen Becken scheiterte. Und dann würde sie darauf bestehen, dass jetzt die schwarzen Kleider dran waren.

Die Hose ließ sich einigermaßen mühelos über ihren Po ziehen und sogar zumachen, doch sie spannte über der Hüfte und an den Oberschenkeln, während der Bund etwas abstand. Aus reiner Neugier nahm Neve das Jackett vom Bügel und schlüpfte hinein.



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