Warten auf Wunder by Fante John

Warten auf Wunder by Fante John

Autor:Fante, John
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2016-11-15T00:00:00+00:00


Kapitel 14

Wir waren für den nächsten Tag verabredet, aber allein bei dem Gedanken an das Treffen wurde mir übel. Ich hatte eine Überdosis von Velda van der Zee abbekommen, zu gründlich ihre feuchten Augen und ihr weiches Gesicht betrachtet, zu lange ihrer unermüdlichen Plauderstimme gelauscht. Nie im Leben würde ich mit ihr zusammenarbeiten können, die Frau würde mich binnen kürzester Frist in den Wahnsinn treiben.

Um zehn Uhr früh rief ich sie an, aber natürlich war ihr Anschluss besetzt. Um elf war ebenso besetzt wie um zwölf und den ganzen Nachmittag bis zum Abend. Schließlich gab ich es auf und setzte mich an die Schreibmaschine.

Liebe Velda,

lassen Sie mich ehrlich zu Ihnen sein. Wir können nie im Leben als Team zusammenarbeiten. Das ist nicht Ihre Schuld, sondern meine. Ich fange morgen mit dem Drehbuch an. Wenn ich damit fertig bin, schicke ich es Ihnen, und Sie können es überarbeiten und nach Gutdünken verbessern. Ich hoffe, dieses Vorgehen findet Ihre Zustimmung.

Herzlich grüßt Sie,

Ihr Arturo Bandini

Zwei Tage später rief sie an.

»Sind Sie sich da ganz sicher, Arturo?«

»Absolut.«

»Sehr gut. Dann schreiben Sie den ersten Entwurf, und ich mache die endgültige Fassung. Rufen Sie mich an, wenn Sie nicht mehr weiterwissen.«

»Das mache ich.«

Ich machte mich sofort an die Arbeit. Erst kam ich ganz flott voran, aber je tiefer ich in der Geschichte drinsteckte, desto weniger mochte ich sie. Am Tag darauf legte ich alles beiseite und begann eine neue Fassung. Dann noch eine, und noch eine. Es war zum Verzweifeln. Am vierten Tag aber hatte ich einen Geistesblitz. Eine Erleuchtung. Eine Vision. Ich begann eine neue Geschichte. Die Rinderzüchter und die Schafhirten warf ich über Bord. Ich kramte in meinem Gedächtnis nach den besten Westernszenen, die ich in der Kindheit gesehen hatte, und stellte sie zu einer neuen Geschichte zusammen. Ich schrieb Seite um Seite. Es machte Spaß. Ich kam in Fahrt. Am ersten Tag schrieb ich zwanzig Seiten. Auch am zweiten Tag stand ich unter Dampf. Zwanzig Seiten. Als es Abend wurde, schrieb ich weiter, und bis der Morgen graute, hatte ich weitere fünfzehn Seiten. Ich war begeistert. Wie schnell ich war! Wie scharfsinnig! Diese Dialoge! Ich fühlte, dass ich drauf und dran war, etwas wirklich Großes zu schaffen. Da konnte nichts mehr schief gehen. Ich war ein Held. Über Nacht würde ich berühmt werden. Ich machte weiter und weiter, durch tiefe Canyons und Schwindel erregende Schluchten, mit schäumenden Pferden, rauchenden Colts und stürzenden Indianern. Der Geruch von Blut lag in der Luft, Pulverdampf, Frauengeschrei, Häuser brannten, das Böse drohte, das Gute triumphierte, die Liebe siegte, Peng, Peng, Peng, ein Höhepunkt jagte den anderen, der großartigste gottverdammte Western, der je geschrieben wurde. Ich ruinierte mir den Magen mit zu viel Kaffee, der Zigarettenrauch brannte mir in den Augen, und mein Rücken schmerzte vom ewigen Sitzen. Aber dann war ich fertig. Stolz steckte ich mein vollendetes Drehbuch in einen Umschlag und schickte es Velda van der Zee, und dann lehnte ich mich zurück und wartete. Ich war ganz ruhig. Zelda würde kaum ein Wort ändern. Mein Drehbuch war perfekt.



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