Veras Tochter - Roman by Schmitter Elke

Veras Tochter - Roman by Schmitter Elke

Autor:Schmitter, Elke [Schmitter, Elke]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2014-04-03T22:00:00+00:00


Hatte sie da schon ihr Verhältnis? Im Buch liegen offenbar ein paar Jahre dazwischen – man kann das nur schätzen –, zwischen ihrer Affaire und meiner Liebe. Tatsächlich war es auch so: Ich war noch ein Kind, als wir in London waren, ein pubertierendes Kind, aber ich fühle noch den Überschwang, der damals um uns war, ein Hauch, der alles überwehte, und wir wußten ja nicht woher. Bei aller Nötigung zur Heimlichkeit, bei aller Distanzierung, die so einem ernsten Verhältnis folgt – denn sie wollte aus ihrem Liebhaber ja einen Ernstfall machen, sie hielt ihn ja für Die Große Liebe –, bei all dem war der Enthusiasmus immer spürbar, den man wahrscheinlich braucht, wenn man neu anfangen will. Natürlich wußten wir nicht, was los war, wenn wir ihre Schritte hörten, mit einem besonderen Schwung, einem entschiedeneren Klock-Klock ihrer Pumps, die höher geworden waren in letzter Zeit. Natürlich ahnten wir nicht, warum sie den Kaffee nun schwarz trank, kaum noch Butter aufs Brötchen schmierte, die Zeitung nur noch überflog und es tatsächlich auch zweimal vorkam, daß wir zu einem Familienausflug mit fast leerem Tank starten mußten. Vielleicht nahm ich nebenbei wahr, daß ihre Röcke kürzer, ihre Hüften entschieden schmaler, ihre Haare ein bißchen röter wurden – naturrot war in der Familie nur ich, doch damals ließ sie sich einen Kupfer-Ton in ihre Wellen färben. Aber wahrscheinlich doch nicht; vielleicht ist die Erinnerung gefälscht, hervorgerufen durch das Buch, in dem ich diese Rolle spiele: ein eifersüchtiges kleines Mädchen; nicht besonders sympathisch, mit zehn, zwölf Jahren ein schon erstaunlich verbittertes Geschöpf, das keine Lebensfreude atmet und sie auch niemand anderem gönnt – und schon gar nicht ihrer Mutter. Vera ist geschildert als der Inbegriff von Egozentrik; eine Frau, die aus Langeweile und Überdruß eine Affaire anfängt, die sie dann nicht mehr in den Griff bekommt, nicht in den Griff bekommen will. Und deren Lebenshunger, deren rapide wachsende Gier dafür sorgt, daß sie jeden Sinn für die Realitäten verliert, sie wahrhaftig glaubt, ihr Liebhaber werde mit ihr verschwinden und ein neues Leben beginnen – ausgerechnet in Venedig. Aber das war wirklich typisch für sie, da war sie hemmungslos. Es mußte, wenn überhaupt, immer das Beste sein, ein Rosenthal-Service, ein schwarzer Persianer, und wenn sie den nicht kriegen konnte, dann nahm sie auch kein Kaninchen und keinen mit Fellbesatz, dann lief sie eben weiter in ihrem alten Mantel rum. Also war ihr natürlich zuzutrauen, daß sie den Start ins neue Leben – denn so sah es ja für sie aus – in Venedig plante, und vielleicht war sie wirklich davon überzeugt, daß dieser Michael, ein Ehemann und Vater von zwei Kindern, zudem noch städtischer Angestellter, daß dieser Michael alles hinschmeißen würde, für sie und ihre kupferroten Wellen. Denn sonst hätte sie sich nicht darauf eingelassen, irgendwann in einer Nacht an einer Autobahnauffahrt zu warten, auf einen Mann mit einem Koffer, der um drei Uhr früh zusteigen würde, um dann mit ihr loszufahren in ein neues Leben. Offenbar war ihr nicht klar, daß dieses neue Leben



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