Unter der Haut by Lessing Doris
Autor:Lessing, Doris [Lessing, Doris]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455850840
veröffentlicht: 2013-11-18T23:00:00+00:00
Kapitel Zwölf
Wir zogen abermals um. Wir zogen ständig um. Nichts dabei! Wir besaÃen nichts als unsere Kleider, unser Bettzeug, ein paar Stühle, jenen berühmten Tisch und Bücher, mengenweise Bücher. Mit einem kleinen Transporter schafften wir alles in das nächste kleine Haus, das sich von dem vorherigen jedes Mal kaum unterschied. Sie waren alle gleich möbliert. Wo auf den Farmen noch Behelfsmöbel üblich waren, Felldecken, Mehlsackvorhänge, Benzinkistenregale, da hatte man in den Städten in aller Regel »Kaufhaus«-Möbel. Eine Felldecke war bereits ein bewusster Tribut an das Land. Die Stühle hatten grundsätzlich verstellbare Rückenlehnen und geflochtene Sitzflächen. Ãberall hingen Bilder von Jakarandas, Sonnenuntergängen, kopjes, Löwen, Eingeborenen, Elefanten und unzähligen Antilopen, die den Betrachter mit erhobenem Haupt ansahen. Aber das machte mir alles nichts aus. Ich hatte nicht vor, mich in diesem Leben einzurichten, sagte ich mir unglücklich, denn ich wusste keinen Ausweg. Währenddessen verhielt ich mich musterhaft, tat alles, was ich sollte, obwohl ich durch das Kind völlig ausgelaugt war. Von dem Augenblick an, wo John den neuen Tag mit einem begeisterten Schrei begrüÃte, bis zum Abend, wenn er widerwillig einschlief, war er nicht eine Minute ruhig. Es kann mir noch heute passieren, dass ich beim Anblick eines Babys, das friedlich in seinem Körbchen gurrt, an John in dem Alter denken muss und staune. Ich konnte ihn buchstäblich kaum festhalten. Kuscheln und Schmusen waren ihm vollkommen fremd. Geschaukelt zu werden war ihm im Grunde zuwider. Man konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er sich nur damit abfand, weil man es von ihm erwartete. Er lag gern auf dem FuÃboden und radelte mit den Beinen, lieà sich gern von Frank auf den Arm nehmen, obwohl selbst dieser Schwierigkeiten hatte, die ständig arbeitenden Arme und Beine in Schach zu halten. Er stand gern in meinen Armen und stemmte sich gegen meine Oberschenkel. Die Mahlzeiten waren jedes Mal eine Tortur, weil er den Löffel halten wollte und wütend wurde, wenn er es nicht konnte, weil er nach der Flasche griff und schrie, wenn sie ihm wegrutschte. Die Babys anderer Frauen schliefen vormittags und nachmittags, aber meins nicht. Wenn Frank um halb acht ins Büro aufbrach, schob ich manchmal schon John durch die StraÃen, weil Bewegung ihn immer beruhigte. Und gegen zehn war ich dann so weit, dass ich gern zu den morgendlichen Teepartys ging, die mir im Grunde so verhasst waren. Junge Frauen trafen sich umschichtig in ihren Häusern und brachten ihre Babys und Kleinkinder mit. Man erwartete von mir, dass ich mich mit den Frauen von Franks Kollegen anfreundete. Ich gehörte zu einer Gruppe von etwa zehn Frauen. Dieses morgendliche Teeritual habe ich in Eine richtige Ehe beschrieben, doch wenn ich die gleiche Gesellschaft heute noch einmal beschreiben sollte, würde ich es mit besonderem Verweis auf eine ganz spezielle Funktion tun: Diese Partys hatten keinen unwesentlichen Anteil daran, dass immer neue Babys geboren wurden. Eine aus der Gruppe hat ein Neugeborenes und sitzt mit dem Kleinen da, sein Köpfchen hilflos an ihrer Schulter. Plötzlich wirkt dein eigenes Kleinkind riesengroÃ, fast wie ein Ungetüm. Du erinnerst dich an die wohlige Vertrautheit, die dich mit einem Neugeborenen verbindet.
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