Unter dem Nordlicht: Roman (German Edition) by Bond Jenny

Autor:Bond, Jenny [Bond, Jenny]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783832188290
Herausgeber: DUMONT Buchverlag
veröffentlicht: 2015-01-21T00:00:00+00:00

Kapitel 25

TORQUAY, ENGLAND

SEPTEMBER 1930

Anna dröhnte der Kopf. Sie saß am Tisch, hatte die Wange in die Hand geschmiegt und trank ihren Tee. Gil war hinter dem Daily Express verborgen. Bisweilen faltete er eine Seite der Zeitung zurück, aß einen Bissen Toast oder trank einen Schluck Tee.

»Die Trauerfeier ist Ende nächster Woche. Deine Leute ziehen wirklich alle Register. Anscheinend soll es eine richtig große Sache werden. Militärische Ehren, Blaskapelle, ein Marmor-Mausoleum. Einer der Brüder … wie heißt er …« – Gil zog die Zeitung näher heran – »Tore, Tore Strindberg, baut ein Denkmal. Hast du je von ihm gehört?«

»Ja.«

»Dann ist er also berühmt?«

»Ja, ziemlich berühmt. In Schweden, aber auch sonst.«

Gil faltete die Zeitung sorgfältig zusammen und legte sie neben sich. Dann berührte er Annas Fingerspitzen. »Was ist denn, mein Liebling? Du bist seit Tagen nicht ganz auf dem Damm.«

»Ich habe bloß entsetzliche Kopfschmerzen und bin sehr müde, sonst nichts.«

»Du hättest wirklich nicht aufzustehen brauchen, um mir Frühstück zu machen. Ich kann mir selbst zwei Scheiben Toast und eine Kanne Tee machen.«

Anne lächelte und nickte matt.

»Du schläfst nicht besonders gut. Ich merke doch, wie du dich die ganze Nacht im Bett wälzt. Willst du heute nicht mal zum Arzt gehen?«

»Ja, das mache ich. Das ist eine gute Idee.«

Anna wünschte sich, er würde aufbrechen. Sie hatte Angst vor den täglichen Bulletins ihres Mannes, regelrecht besessen war er von der Expedition, den Forschern, ihrem Leben und ihren Familien. Vermutlich ging seine Begeisterung für Abenteuergeschichten auf seine Vergangenheit als Seemann zurück. Aber gepaart mit ihren Albträumen und ihrer Übermüdung machte Gils Interesse an dem Thema ihr das Leben zur Hölle. Außerdem war es nur eine Frage der Zeit, bis ihr Name in den Zeitungen auftauchen würde.

Während sie so dasaß, ihrem Ehemann gegenüber, in einem fremden Land, hatte sie wieder einmal das Gefühl, in ihrem Leben gefangen zu sein.

Gil trat hinter Annas Stuhl und massierte ihr mit seinen dicken Fingern leicht die Schläfen. Sie schloss die Augen und gab sich der Berührung hin.

»Wie alt warst du damals? Fünfundzwanzig, sechsundzwanzig?«

Anna schlug die Augen auf. »Ja, so ungefähr.« Sie rutschte ein wenig nach vorn und entzog sich dadurch Gils Händen. »Du musst los, es ist schon spät.«

»Das stimmt. Wenn du zum Arzt gehst, schau doch kurz vorbei. Das tust du in letzter Zeit nicht mehr so oft.«

»Wenn ich es schaffe.«

»Dann bis später. Ich liebe dich.« Gil beugte sich vor und hob ihr Kinn an, um ihr einen Kuss auf den Mund zu geben. Er betrachtete ihr blasses Gesicht in seinen Händen. Nach ein paar Sekunden wandte sie sich ab, sein forschender Blick war ihr unangenehm.

»Ich liebe dich auch. Mach’s gut.«

Sobald die Gartenpforte ins Schloss gefallen war, schlug Anna die Zeitung auf und blätterte sie durch, bis sie den Artikel über Andrée und die Expedition gefunden hatte. Darin stand nichts, was nicht schon in früheren Artikeln gestanden hatte. Meistens drehten sich die Geschichten um Andrée. Vermutlich, weil er der schillerndste der drei Männer gewesen war, der älteste und der Leiter der Gruppe. Außerdem vermittelte der Artikel nur einen oberflächlichen

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