»Und wir verrosten im Hafen«: Deutschland, Großbritannien und der Krieg zur See 1914 - 1918 (German Edition) by Nicolas Wolz

»Und wir verrosten im Hafen«: Deutschland, Großbritannien und der Krieg zur See 1914 - 1918 (German Edition) by Nicolas Wolz

Autor:Nicolas Wolz [Wolz, Nicolas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2015-02-22T16:00:00+00:00


Kapitel VIII

»Die Kerls müßten glatt an die Wand gestellt werden«

Die Flottenunruhen 1917

Es ist, alles in allem, kein schlechtes Leben, das die Seeleute des »Sonderkommandos Kaiserliche Marine Türkei« am Bosporus führen. Der Zusammenhalt ist gut, das Wetter warm, die Arbeit meist erträglich. »Wir leben hier in C[onstantino]pel ganz wie in normalen Zeiten, die Preise sind etwas gestiegen, es herrscht aber an nichts Mangel«, schreibt Vizeadmiral Wilhelm Souchon im März 1915 seiner Frau.1 Die Offiziere kaufen türkische Teppiche auf dem Basar, besichtigen die Hagia Sophia und andere Sehenswürdigkeiten, abends gehen sie ins Kino oder in eins der Lokale, »in denen sich die hiesigen deutschen Elemente wie daheim am Biertisch zusammenfinden«.2 Hin und wieder lädt Souchon die in der Stadt ansässigen Honoratioren zum Mondscheindinner auf das Achterdeck seines Flaggschiffs Goeben ein, es gibt Erdbeerbowle »bis spät in die sternenklare Nacht«, zu besonderen Anlässen auch Sekt und Kaviar.3 Von den gelegentlichen Strandausflügen mit »Reiterkämpfen« und »Pyramiden« ist schon die Rede gewesen.

Im Sommer 1917 ist es damit vorbei. Nach drei Jahren als Chef der türkischen Flotte wird Souchon zurück in die Heimat beordert. In Wilhelmshaven soll er das Kommando über das IV. Linienschiffgeschwader übernehmen. Die Aussicht, einen Teil der Hochseeflotte in der Nordsee zu kommandieren und endlich wieder »eine reine Flagge über mir wehen zu haben«, erfüllt den Admiral, der aus seiner Geringschätzung für die türkischen Seeleute nie einen Hehl gemacht hat, mit großer Freude.4 Doch als er im September 1917 zum ersten Mal sein neues Flaggschiff Prinzregent Luitpold betritt, ist er schockiert über die Zustände an Bord. Die Mannschaftsräume sind vollkommen kahl und unwohnlich, selbst die Farbe ist von den Wänden gekratzt. Auch seine eigenen Räume sind »kellerartig dunkel und kalt«.5 Souchon erlaubt daraufhin der Mannschaft, »Bilder aus illustr[ierten] Zeitschriften, Kalender, Ansichtskarten und dergl. dem Feuer wenig Nahrung bietendes Zeug an die Wände zu kleben«. Denn, so schreibt er seiner Frau: »Das Hausen nun schon Jahre lang in diesen eisernen Löchern, wer weiß wie weit vom Tageslicht entfernt, muß unfehlbar auf die Stimmung drücken.«6

Das war nur allzu wahr. Keine sechs Wochen vor Souchons Ankunft in Wilhelmshaven waren es die Heizer eben jener Prinzregent Luitpold gewesen, die durch ihr unerlaubtes Verlassen des Schiffes die erste Meuterei in der Geschichte der deutschen Marine ausgelöst hatten. Der Anlass war für sich genommen kaum der Rede wert: Nachdem es zuvor auch auf anderen Schiffen der Flotte schon zu kleineren Protestaktionen gekommen war, mit denen die Matrosen und Heizer ihren Unmut über das schlechte Essen oder gekürzten Urlaub zum Ausdruck brachten, kursierte am 31. Juli 1917 an Bord der Prinzregent Luitpold das Gerücht, eine für den nächsten Tag geplante Kinovorstellung sei abgesagt und stattdessen Infanteriedienst anberaumt worden. Am folgenden Morgen, als das Gerücht sich bestätigte, verließen rund 50 Heizer ohne Erlaubnis das Schiff, um sich der lästigen Pflichtübung zu entziehen. Als sie einige Stunden später wieder an Bord zurückkehrten, verhängte der Kommandant, Kapitän z. S. Karl von Hornhardt, gegen elf von ihnen Arreststrafen.

Daraufhin entschloss sich die restliche Besatzung zu einer größeren Protestaktion. Unter der Führung des Heizers Albin Köbis gingen am frühen Morgen des 2.



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