Udolpho's Geheimnisse - Gesamtausgabe by Ann Radcliffe

Udolpho's Geheimnisse - Gesamtausgabe by Ann Radcliffe

Autor:Ann Radcliffe [Radcliffe, Ann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Golkonda Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Zehntes Kapitel

Am folgenden Morgen gieng Emilie in aller Frühe in das Zimmer der Madame Montoni, die gut geschlafen, und sich sehr wieder erholt hatte. Auch ihr Muth war mit ihrer Gesundheit wiedergekehrt, und ihr Entschluß, sich Montonis Verlangen zu widersetzen, hatte neue Stärke erlangt, ohngeachtet ihre Furcht, welche Emilie, die vor den Folgen ihres fernern Widerstandes zitterte, zu erhöhen sich bemühte, noch dagegen kämpfte.

Wir haben bereits gesehn, daß ihre Tante eine große Sucht zu widersprechen besaß. Lange Gewohnheit hatte diesen natürlichen Hang so sehr bestärkt, daß sie sich seiner kaum bewußt war. Emiliens Gründe und Vorstellungen machten ihren Stolz rege, statt ihre Urtheilskraft zu beschäftigen, oder sie zu überzeugen, und sie dachte nur darüber nach, ein Mittel auszufinden, wie sie vermeiden könnte, sich dem Verlangen ihres Mannes zu widersetzen. Sie glaubte, wenn sie nur einmal aus seinem Schlosse entwischt wäre, seiner Macht Trotz bieten und eine Scheidung bewirken zu können, nach welcher sie ruhig auf ihren Gütern zu leben hoffte. Sie sprach davon mit ihrer Nichte, die in ihren Wunsch einstimmte, aber über die Wahrscheinlichkeit der Ausführung mit ihr verschiedner Meinung war. Sie stellte ihr vor, daß es unmöglich sey, aus den Thoren, die fest verschlossen und verwahrt waren, zu kommen, und wie gefährlich es sey, ihr Vorhaben dem Gutbefinden eines Bedienten anzuvertrauen, der es entweder absichtlich oder zufällig verrathen könnte. Montonis Rache würde auch keine Gränzen kennen, wenn ihre Absicht entdeckt würde. So sehnlich auch Emilie wünschte, ihre Freiheit wieder zu erhalten und nach Frankreich zurückzukehren, zog sie doch nur Madame Montonis Sicherheit zu Rathe und blieb bei ihrem Vorschlage, daß sie ihr Vermögen aufgeben sollte, ohne ihn zu weitern Beleidigungen zu reitzen.

Der Kampf widerstrebender Gefühle wüthete indessen in ihrer Tante Busen fort, und sie beschäftigte sich noch immer mit der Möglichkeit, ihre Flucht durchzusetzen. Während sie so da saß, trat Montoni herein, und sagte, ohne von der Krankheit seiner Frau etwas zu erwähnen, er käme um sie zu erinnern, wie unartig es sey, ihr Spiel mit ihm zu treiben, und er gäbe ihr nur noch bis diesen Abend Bedenkzeit, ob sie seine Foderung erfüllen, oder ihn durch ihre Weigerung zwingen wollte, sie nach dem östlichen Thurme zu bringen. Er setzte hinzu, daß eine Gesellschaft von Herren Mittag mit ihm essen würde, und daß er sie an der Spitze der Tafel, wo auch Emilie gegenwärtig seyn müßte, erwartete. Madame Montoni war auf dem Punkte, eine durchaus abschlägige Antwort zu geben, da ihr aber plötzlich einfiel, daß ihre Freiheit während dieses Gastmahls, so beschränkt sie auch seyn möchte, ihre andern Pläne vielleicht begünstigen könnte, so willigte sie mit anscheinendem Widerstreben ein und Montoni verließ bald nachher das Zimmer. Sein Befehl versetzte Emilien in Verwundrung und Besorgnis; sie erschrack vor dem Gedanken, dem Anblick von Fremden, so wie sie diese sich dachte, ausgesetzt zu seyn, und die Worte des Grafen Morano, die ihr jetzt wieder einfielen, dienten eben nicht ihre Furcht zu vermindern.

Sie kleidete sich beinahe noch einfacher als gewöhnlich, um nicht bemerkt zu werden, allein diese kleine List half ihr



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