Tatort Mittelalter by Heidemann Malte & Schäfer Franziska

Tatort Mittelalter by Heidemann Malte & Schäfer Franziska

Autor:Heidemann, Malte & Schäfer, Franziska [Heidemann, Malte & Schäfer, Franziska]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783805347143
Herausgeber: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt
veröffentlicht: 2015-04-30T16:00:00+00:00


Urkundenfälschung: Die Herzöge von Österreich und das sogenannte Privilegium maius (1358/59)

Fälschungen hat es zu jeder Zeit gegeben und wird es wohl auch immer geben. Da war das Mittelalter keine Ausnahme, mitunter wird es sogar als Fälscherzeitalter bezeichnet. Gefälscht wurden nicht nur Münzen – ein Verbrechen, auf das die Todesstrafe durch Sieden in heißem Öl stand –, sondern auch Kunstgegenstände und Reliquien, deren Wert und große Bedeutung das vorangegangene Kapitel bereits beleuchtet hat. Doch eines der häufigsten Fälscherobjekte im Mittelalter war die Urkunde. In diesen Dokumenten wurden vor allem Vorgänge rechtlicher Natur festgehalten – beispielsweise erhielt ein Kloster nicht nur seine bisherigen Rechte bestätigt, sondern zusätzlich auch das Privileg, im nahe gelegenen See zu fischen, ein Adliger durfte nun ein neues Wappen tragen, eine Stadt eine Stadtmauer errichten oder man vereinbarte die spätere Hochzeit der Kinder. Die Person, die hiermit ihren Rechtswillen zum Ausdruck brachte, war der Aussteller der Urkunde; dabei konnte es sich beispielsweise um den Kaiser oder König, um Territorialfürsten, um Päpste, Bischöfe oder andere Geistliche, um Klöster oder Städte handeln. Der Aussteller schrieb die Urkunde meistens nicht selbst, sondern diktierte einem Schreiber den Text, der dann die Reinschrift sorgfältig auf Pergament oder auch auf Papier ausführte. Damit das fertige Dokument Glaubwürdigkeit erhielt, versah man es schließlich mit dem in Wachs gedrückten Siegel des Ausstellers. Selten und nur bei Dokumenten besonderer politischer und verfassungsrechtlicher Bedeutung wurden auch metallene Siegel aus Gold, Silber oder Blei, sogenannte Bullen, verwendet. Ein Beispiel dafür ist die „Goldene Bulle“ Kaiser Karls IV., mit der er 1356 unter anderem die Modalitäten für die Wahl und Krönung der römisch-deutschen Könige durch die Kurfürsten festlegte. Aber nicht ihr Siegel, sondern ihr Inhalt sollte für die kommenden Ereignisse von enormer Bedeutung sein.

Gingen Dokumente verloren, da vielleicht die Bibliothek des Klosters in Flammen aufgegangen war, konnten die Mönche nicht mehr oder nur unter Mühen ihre Rechte und Besitzungen nachweisen. Was lag da näher, als dem drohenden Verlust mit einer „neuen“ Urkunde abzuhelfen? Damit wären wir beim ersten Fälschungsmotiv: Gegebenes Recht wurde ohne Abänderungen erneut verschriftlicht – nach heutigem Verständnis dennoch eine Fälschung. Dass damals dabei kein allzu großes Unrechtsbewusstsein aufkam, ist durchaus verständlich. Auf der nächsten Stufe wurde es schon etwas heikler: Da bedrohte zum Beispiel ein Adliger unsere Mönche und sie fertigten sozusagen aus Notwehr ein Schutzprivileg des Königs an, mit dem sie sich der Übergriffe erwehren konnten. Eine solche Urkunde entsprach also nicht mehr den Tatsachen. Da aber dem König eigentlich dieser Schutz oblag, gab diese gefälschte Urkunde einen Idealzustand wieder, sie diente also einem höheren Zweck. Auch in diesem Fall dürfte sich wohl das schlechte Gewissen in Grenzen gehalten haben. Die dritte und letzte Stufe war die, die mit krimineller Energie bewusst Tatsachen schuf, die es vorher nicht gegeben hat.

Bei der Herstellung gefälschter Urkunden konnte der Schreiber auf dreierlei Weise vorgehen: Entweder übernahm er den Wortlaut von einer früheren Abschrift – das entspräche dem ersten Fälschungsmotiv. Für die zweite und dritte Absicht musste er den Text völlig neu erfinden oder eine echte Urkunde so manipulieren, dass sie seinen Wünschen entsprach.



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