Spieltage by Ronald Reng

Spieltage by Ronald Reng

Autor:Ronald Reng [Reng, Ronald]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: Piper Verlag
veröffentlicht: 2013-06-11T22:00:00+00:00


Nach dieser WM würde das Bild deutscher Fußballer auf Jahre ein anderes sein: Die Nationalspieler Hans-Peter Briegel, Manfred Kaltz, Uwe Reinders und Bernd Franke (v. l.) während der Vorbereitung zur WM 1982. [Abb. 17]

1980–1983

Das lange Haar weht nicht mehr

Morgens nach dem Aufwachen fiel der Blick auf die Zimmerdecke oder die Wand, und er sah das Nichts. Ein ganzer langer Tag lag leer vor ihm. Es machte ihn wahnsinnig, er benötigte morgens beim Aufstehen das Wissen, da war etwas zu tun. Heinz Höher ging zum Kühlschrank und trank morgens um acht erst einmal ein Glas Sekt. Aber danach war er, jeden Morgen wieder, immer noch arbeitslos.

Er ging einige Tage nach seiner Entlassung zum Arbeitsamt und ließ sich seinen neuen Status offiziell bestätigen. Mit dem Kindergeld und der Arbeitslosenhilfe kamen sie auf knapp 2000 Mark im Monat. In Duisburg hatte er 10000 verdient. Seine Mutter fiel ihm ein, Maria, die mit fast 90 noch immer zufrieden lebte und ihnen als Kinder gesagt hatte: Wer sich beklagt, erniedrigt sich.

Er würde sich mehr um die Kinder kümmern, sagte sich Heinz Höher, endlich hatte er Zeit für sie. Er schlug ihnen vor, Monopoly zu spielen, er fragte Markus und Susanne, 15 und 13 Jahre alt, ob er mal bei den Hausaufgaben draufschauen könne, aber da blieb immer eine Steifheit, das Gefühl, dass er eigentlich nicht gebraucht wurde bei den Hausaufgaben, dass er das eigentlich nicht konnte, den Kindern wirklich helfen. Mit Thomas ging es leichter, die Unbekümmertheit eines Fünfjährigen half, mit ihm konnte er einfach Ball spielen. Doris beobachtete Thomas und dachte daran, wie streng und beiläufig sie Markus und Susanne in den Sechzigern erzogen hatten. Ob es etwas mit dem verständnisvolleren Umgang zu Hause und im Kindergarten zu tun hatte, dass Thomas so lebendig und selbstbewusst war?

Heinz Höher schnappte sich Clemens und ging jeden Tag mit dem Hund laufen oder spazieren, das waren die besten Momente. Wenn er aus der Wirklichkeit flüchten konnte.

Aber dann klingelte das Telefon, seine Schwester Hilla war dran, und er konnte nur sagen: Willst du Clemens sprechen? Ohne ein weiteres Wort mit seiner Schwester zu reden, reichte er den Hörer an Doris weiter.

Es wurde Frühling, die Bundesliga trat in die entscheidende Phase, der Abstiegskampf wurde verzweifelter, es mussten doch noch bei anderen Vereinen Trainer entlassen werden so wie er, es musste doch noch ein Präsident denken, dass er der richtige Mann war. Heinz Höher wartete. Von sich aus die Initiative zu ergreifen, sich in den Stadien sehen zu lassen, einen Spielervermittler einzuschalten, kam für ihn nicht infrage. Das sei stillos, sagte er sich und schützte sich damit vor der Frage: Könntest du es überhaupt, die Initiative ergreifen, von dir aus Präsidenten, Manager anrufen?

Im April 1980 erblickte er in der Zeitung das Bild eines erschöpften Trainers. Branko Zebec, in Jeans und Jeansjacke, saß mit verschränkten Armen auf der Trainerbank. Der Kopf war ihm auf die Brust gefallen, die Sonnenbrille, hinter der er seine Augen verstecken wollte, auf die Nasenspitze gerutscht. So verfolgte er beziehungsweise verpasste er das Spiel seines Hamburger SV bei Borussia Dortmund.



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