Schampanninger by Bronski Schampanninger

Schampanninger by Bronski Schampanninger

Autor:Bronski Schampanninger
Die sprache: de
Format: mobi, epub
ISBN: 9783888976353
Herausgeber: Kunstmann Verlag
veröffentlicht: 2011-08-10T10:05:03+00:00


22

Schwester Adeodata war untröstlich. Sie hatte Monsignore Bachl nicht erreicht, und nun glaubte sie, dass diese Nachricht mich so niedergeschlagen machte. Ich versuchte ihr das auszureden und sie meinerseits aufzumuntern. Aber wenn zwei aus völlig unterschiedlichen Motiven sich aufzuhelfen versuchen, dann ist man in einen aussichtslosen Kreisverkehr geraten, wo jeder glaubt, dem anderen hinterherfahren zu müssen.

– Wird schon wieder, sagte ich.

Dann verabschiedete ich mich und ging.

Was sollte ich nun mit diesem Herrn Albert anstellen? So senil oder dämlich, mich mit einem Bischof zu verwechseln, war kein Mensch. Mit meinen Haaren und Koteletten ging ich noch nicht mal als Gefängnispfarrer durch. Aber mit dieser vielleicht verzweifelten Aktion hatte er versucht, das Beichtgeheimnis für sich in Anspruch zu nehmen und mich damit in eine moralische Bredouille zu bringen. Wer den Nikolaus spielte, sollte dafür anfällig sein, so dachte er wohl. Und wer wie ich in jungen Jahren als Ministrant mit dem Frauenbund bei der alljährlichen Wallfahrt das Diözesanmuseum besuchte, wo unter einer silber- und brokatverzierten Glasglocke die abgeschnittene Zunge des heiligen Nepomuk ausgestellt war, die er dem Beichtgeheimnis geopfert hatte und die auf unergründlichen, nur Gott bekannten Wegen als Premiumreliquie von Prag in den süddeutschen Raum gelangt war, wer das erlebt hat, wusste doch, dass es sich bei dem Schweigegelübde um ein hochkarätiges Gut der heiligen katholischen Kirche handelte. Und vor dieser Vitrine konnte schon der alte Stadtpfarrer Seppenhofer dem Frauenbund deutlich machen, wo die messerscharfe Trennungslinie zum Protestanten verlief. Denn der protestantische Pastor nehme schon mal keine Beichte ab, geschweige denn, dass er dem Bußfertigen Verzeihung gewähre, und selbst wenn ein solcher Pastor Geständnisse entgegennehme, könne man nicht wissen, ob er stante pede aufstehe und im nächsten Revier Anzeige erstatte. Am liebsten hätten die Frauenbündlerinnen über so viel Ruchlosigkeit mit den Zähnen geknirscht, und man brauchte keine große Fantasie, um sich vorzustellen, wie sie zu einer Denunziation von Herrn Albert gestanden wären.

Natürlich war ja unsereiner kein Theologe, und man hätte darüber streiten können, ob das, was einer im Beichtstuhl einem Nicht-Kleriker gestanden hatte, überhaupt unter die Kategorie des zu schützenden Geheimnisses fiel, das meinen Mund für immer versiegelte. Um das sauber klären zu können, hätte ich vermutlich beim Papst in Rom persönlich durchrufen müssen, hier war mir mit einem Wald- und Wiesen-Theologen nicht geholfen, das musste eigentlich ex cathedra entschieden werden.

Von der anderen Seite her konnte man den Fall unkomplizierter durchdenken: Der Münchner Bank war ich nichts schuldig, dass ich mich zu deren Büttel hätte machen müssen. Der Mann hatte keinen umgebracht, allerdings Geld geklaut, es aber überwiegend karitativen Zwecken zugeführt. Das einzige Problem war, dass auf der Sozialstation nicht Errichtet mit einer Spende der Münchner Bank draufstand. Die Bank hatte keinen ideellen Gegenwert für ihre unwissentliche Hochherzigkeit erhalten. Aber hat unsereiner denn schon mal eine Tafel gestiftet bekommen für seine Wohltaten an der Menschheit?

Gedankenschwer langte ich bei meinem Laden an. Ein Mann meines Alters stand vor dem Schaufenster. Jeans samt ebensolchem Hemd, gefütterte Lederjacke und einen Swarovski-Brilli im Ohr. Ich tippte auf Streetworker und lag damit nur wenig daneben.

– Bist du Gossec?

– Ja.



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