Sally Lockhart 3: Der Tiger im Brunnen by Pullman Philip

Sally Lockhart 3: Der Tiger im Brunnen by Pullman Philip

Autor:Pullman, Philip [Pullman, Philip]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-02-02T21:12:39+00:00


Nur einen Kilometer entfernt saß der Zaddik im Salon seines Hauses und wartete darauf, dass Mr Parrish ihm erklärte, wie er Sally hatte entwischen lassen können.

Der Affe hockte ihm auf der Schulter und drehte den Kern einer Paranuss unentwegt in den kleinen schwarzen Händen hin und her, bis er schließlich an ihm zu knabbern begann. Mr Parrish wäre sicher nervös gewesen, wenn er nicht jüngst damit begonnen hätte, sich in der fernöstlichen Kunst der Willensbeherrschung zu üben, wie sie der große Mystiker Wu Schu-Fan lehrte. Mr Parrish hatte im Frühjahr des vergangenen Jahres ein Buch des Meisters erworben. Es enthielt neben einer Anleitung zur Tiefenatmung auch die Lehre über den Umgang mit psychischen Energien.

Mr Parrish konzentrierte sich also darauf, tief und gleichmäßig in den Bauch zu atmen und seine psychische Energie spiralförmig entlang der Wirbelsäule aufsteigen zu lassen. So konnte er seinem Arbeitgeber mit großem Gleichmut gegenübertreten und ihm berichten, was geschehen war.

»Sie hatte einen Revolver, Mr Lee«, führte er zu seiner Rechtfertigung an. »Es war klar, was geschehen wäre. Sie hätte zuerst auf mich geschossen, denn auf mich hatte sie es abgesehen, und nötigenfalls hätte sie auch noch die beiden anderen Männer erledigt und wäre in der allgemeinen Panik entkommen. Das ist ihr ja dann auch tatsächlich gelungen. Zwar hätte ich die Unannehmlichkeit, verwundet zu werden, wohl in Kauf genommen, aber mein Leben zu lassen, wäre denkbar ungelegen gekommen, vor allem wegen des Gerichtsverfahrens. Das Sorgerecht für das Kind hätten wir dann nicht mehr einfordern können. Nachher haben wir die Schaufensterscheibe des Teesalons eingeschlagen und sind ihr nachgelaufen. Sie stieg in einen Omnibus Richtung East End. Der Wagen war überfüllt, die Straßen verstopft – Hauptverkehrszeit –, aber ich bekam gerade noch eine Droschke und fuhr dem Omnibus nach. Dann wurde der Verkehr so dicht, dass ich ihn aus den Augen verlor. Immerhin konnte ich erkennen, dass es einer von den grünen mit Endhaltestelle Whitechapel war.«

»Haben Sie die persönlichen Sachen der jungen Frau aus der Pension in Bloomsbury geholt?«

»Die Vermieterin – eine gewisse Mrs Parker – wollte die Sachen nicht herausgeben. Ich weiß daher nicht, was sich dort noch befindet. Aber ich könnte in das Haus einbrechen lassen, wenn Sie es wünschen, Mr Lee.«

Der Mann im Rollstuhl schien zu überlegen. Der Affe, der inzwischen mit seiner Nuss fertig war, kletterte kopfüber an ihm hinab und sprang zu der Schüssel mit dem Vorrat an Nüssen, die der Butler zuvor geknackt hatte. Mr Lee gab ihm leise einen Befehl, und sogleich brachte ihm der Affe eine Walnuss und schob sie ihm in den Mund.

Nachdem er die Nuss langsam zerkaut und hinuntergeschluckt hatte, sagte Mr Lee: »Lassen Sie das mit dem Einbruch. Fahren Sie mit der Suche fort. Ich bin von Ihrer bisherigen Arbeit jedenfalls nicht sonderlich beeindruckt. Sie sind nicht selbstkritisch genug. Das Geld vom Bankkonto der jungen Frau können Sie behalten. Aber ihre Aktien und sonstigen Wertpapiere überschreiben Sie vorerst mir. Wenn es Ihnen gelingt, Sie wiederzufinden, erhalten Sie alles zurück. Wird sie hingegen von der Konkurrenz gefunden, werden Sie nichts davon wiedersehen.



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