Rundherum : Abenteuer einer Weltreise by Erika Mann & Klaus Mann

Rundherum : Abenteuer einer Weltreise by Erika Mann & Klaus Mann

Autor:Erika Mann & Klaus Mann [Mann, Erika & Mann, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Reportage
ISBN: 9783644004399
Herausgeber: Rowohlt
veröffentlicht: 2018-12-31T23:00:00+00:00


San Francisco erinnert an Marseille, manchmal auch an Neapel. Es hat die steilsten Straßen, die man jemals für möglich gehalten, vom Drahtseil gehalten klimmen die Trambahnwagen nach oben. Das gibt dem Bild der Stadt etwas beinahe Wildes; und viele großartig weite Ausblicke über Dächer und Hügel zum Meer. Dazu kommt jene wundervolle Atmosphäre von Ausfahrt und Aufbruch, die fast allen Hafenstädten eignet: Mischung der Rassen und Geruch fremder Völkerschaften. – Das Chinesenviertel etwa ist hier nicht, wie in New York, künstlich erhaltene Sehenswürdigkeit für die Fremden, sondern Element, Teil der Stadt. Stehst du überm Goldenen Tor, wo die Vorgebirge sich zum Stillen Ozean öffnen, so fühlst du dich wahrhaft an der Pforte zum Fernen Osten. –

An der Stanford University wirkt unser Freund Doktor August Mahr aus der Bergschule Hochwaldhausen; der hat, beinahe sechs Jahre sind's her, einige Monate lang uns im Englischen unterwiesen und mit uns Shakespeare gelesen, während wir und einige Kameraden mit unserer Problematik und unseren Streichen die Idylle des Vogelsbergs unsicher machten. Nun feierten wir Wiedersehen im achtzehnten Stockwerk eines Riesenhotels.

Wir besuchten ihn auch in Stanford, wo es fast so schön wie in Princeton ist, wir spazierten in den Palmenalleen, plauderten über Vergangenes und Zukünftiges, über Freie Schulgemeinde, amerikanische Colleges, Shakespeare und die jüngste deutsche Dichtung.

Abends besuchten wir einen sehr merkwürdigen jungen Mann.

Mister Gullivan ist ein Sonderling. Wunderschön ist das Haus, welches er in San Francisco bewohnt, er hat es sich auch prachtvoll, aber spleenig eingerichtet. Zwei Komplexe sind es, unter denen er zu leiden hat – oder die ihn ergötzen –: er liebt auf dieser Welt hauptsächlich Segelschiffe und Neger.

Schon die Haustür ist mit Segelschiffen geschmückt, eines ist übers Portal in Stein gemeißelt, das andere, in Messing angefertigt, dient als Türklopfer. Drinnen ist alles schiffsgemäß eingerichtet, die Lampen haben die Form einer Jacht, auf schönen Bildern segeln große Boote ins Blau. Wo keine Schiffe hingemalt sind, kann man Neger entdecken, aus allen Ecken schauen dich ihre düster schmachtenden Gesichter an. Einen liebt er besonders, den jungen Sänger, der für seine melancholisch-sinnliche Stimme berühmt ist; sein Porträt hat auf Mister Gullivans Schreibtisch den Platz.

Mister Gullivan selbst hat eine rührende Stimme, eine ganz tiefe, wie die Stimmen seiner so geliebten schwarzen Freunde sind, aber mit einem noch traurigeren Zittern im Unterton. Er sitzt in seinem phantastischen Haus an der Orgel und singt deutsche Lieder oder die religiösen Gesänge der Neger, die ebenso fromm und viel geheimnisvoller als unsere kirchlichen Weisen sind.

Die Erinnerung an diesen Abend voll Schwermut und Sehnsucht nach fremden Dingen nehmen wir als letzten amerikanischen Eindruck mit auf unser Schiff, die «Präsident Monroe». Als allerletzter schob sich freilich der Taxichauffeur noch dazwischen, dem wir die Fahrt vom Hotel zum Hafen nicht bezahlen konnten, der sich fassungslos an den Doktor Mahr in Stanford verweisen ließ und dann endgültig an der Weltordnung zweifelte, als wir unsere First-Class-Tickets vorwiesen.



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