Riecht nach Ärger und weihnachtet sehr by Andreas Bertram

Riecht nach Ärger und weihnachtet sehr by Andreas Bertram

Autor:Andreas Bertram [Bertram, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Querverlag
veröffentlicht: 2015-11-23T16:00:00+00:00


Ein heimliches Verlangen

Pünktlich zum ersten Advent war der Umzug ins neue Pfarrhaus abgeschlossen. Die Möbel standen alle an ihrem Platz, Bilder und Vorhänge hingen, und jedes einzelne Buch aus Schorschs Bibliothek hatten wir abgestaubt und ins Regal gestellt. Wenn ich „wir“ sage, meine ich damit vor allem meine Mutter und mich. Sie verstand es vorzüglich, mich für ihre Zwecke einzuspannen, und da ich hier Kost und Logis erhielt, durfte ich mich nicht einmal darüber beschweren. Im Grunde war ich jedoch froh, etwas zu tun zu haben, lenkte mich die Arbeit doch von meinen ständigen Grübeleien ab.

Anfang Dezember stand ich jedoch vor einem größeren Problem: Ich war nahezu pleite. Irgendwie musste ich an etwas Geld kommen, sonst wäre ich nicht einmal in der Lage, ein paar Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Ich sprach im örtlichen Buchladen vor, aber weder hier noch in einer anderen Stadt bestand Bedarf an einer Aushilfskraft. In den anderen Geschäften, in denen ich nachfragte, sah es nicht besser aus. Falls ich nicht im Lotto gewann, blieb mir nichts anderes übrig, als Nils noch einmal um Geld zu bitten, was ich nur sehr ungern tun würde. Für einen Lottoschein fehlte mir jedoch das nötige Kleingeld.

Nachdem ich alle Geschäfte im Ort abgeklappert hatte, kehrte ich ziemlich deprimiert ins Pfarrhaus zurück. Meine Mutter war in der Küche, um das Abendessen zu kochen, und ich ging ihr ein wenig zur Hand. Kurz überlegte ich, sie zu fragen, verwarf den Gedanken daran jedoch gleich wieder. Sie und Schorsch taten schon genug für mich, und ich wollte ihre Großzügigkeit nicht ausnutzen.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte mich der Pfarrer beim Essen. „Du bist heute so still.“

„Ich bin nur müde“, erwiderte ich ausweichend. „Am besten, ich gehe früh ins Bett.“

„Ich wünschte, das könnte ich auch tun, aber ich muss gleich wieder zu einer Sitzung des Festausschusses.“ Schorsch trank einen Schluck Orangensaft und seufzte. „Ich fürchte, das wird eine langwierige und unerfreuliche Angelegenheit.“

„Festausschuss?“, fragte ich. In den vergangenen Tagen hatte Schorsch sich bereits mit dem Gemeinderat, dem Bürgermeister, dem Organisten und anderen wichtigen Vertretern des Ortes und der Kirchengemeinde getroffen, um sich bei ihnen vorzustellen.

„Es geht um das Weihnachtsspiel.“

„Darauf freue ich mich schon sehr“, sagte meine Mutter. „Ich wollte schon seit Jahren einmal zum Schöffarthshofener Weihnachtsspiel, hatte aber leider nie die Zeit.“

„Der Festausschuss kümmert sich um die Organisation“, fuhr Schorsch fort. „Früher gab es eine kleine Aufführung auf dem Kirchvorplatz, aber weil im Laufe der Jahre immer mehr Besucher kamen, geriet das Ganze mehr und mehr zu einem Spektakel. Vergangenes Jahr entschied der Ausschuss, eine Bühne auf einer nahe gelegenen Wiese zu errichten und Veronika Ferres als Erzählerin zu engagieren.“

„Ach, das war bestimmt sehr schön“, schwärmte meine Mutter, die im Gegensatz zu mir ein Fan der Ferres war.

„Ja, der Andrang war enorm. Die Gemeinde hat erkannt, dass ein solches Event eine enorme touristische Aufwertung von Stadt und Region bedeutet“, sagte Schorsch und klang, als würde er den hiesigen Touristikmanager nachplappern. „Man will sich ein bisschen an Oberammergau orientieren und ein großes Schauspiel auf die Beine stellen. Und es soll ein richtiges Amphitheater dafür gebaut werden.



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