Richtung Paradies (German Edition) by Frenzel Nils & Sand Dennis & Zuna

Richtung Paradies (German Edition) by Frenzel Nils & Sand Dennis & Zuna

Autor:Frenzel, Nils & Sand, Dennis & Zuna [Frenzel, Nils]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Riva
veröffentlicht: 2020-11-16T16:00:00+00:00


KAPITEL 4

Zerstörung

Irgendwie kam mir das hier bekannt vor. Es war staubig. Es gab keine echte Vegetation. Nur ein paar verdorrte Baumstümpfe. Eine hässliche Wüstenwelt. Und mitten in dieser Wüste stand ein riesiges Schloss. Die Türme waren gigantisch und ragten weit über die Stadtmauern hinaus. Gerade als die Gruppe der Helden auf die Pforte zuging, kam ein kleines Raumschiff angeflogen, das aussah wie ein schwebender Roller, und auf diesem Roller-Raumschiff stand ein durchtrainierter Typ mit einem komischen Helm.

»Scheiße«, sagte Nour. »Das ist Tri-Klops.«

Tri-Klops war eine Art dreiäugiger Zyklop. Er hatte nur ein Auge zur Verfügung, aber durch einen Drehmechanismus in seinem Kopf konnte er zwischen verschiedenen Augen auswählen, die alle unterschiedliche Fähigkeiten hatten. Eines seiner drei Augen konnte durch Wände sehen. Ein anderes konnte Laserstrahlen abfeuern.

»Tri-Klops ist einfach der Krasseste«, sagte Nasser. Der dreiäugige Zyklop schwebte mit seinem Roller nun also vor der großen Festung und machte der Heldengruppe eine Ansage.

»Dafür kriegt er safe auf die Fresse«, freute sich Nour.

Ich versuchte mich zu erinnern, woher ich dieses Tri-Klops-Wesen kannte. Dann fiel es mir wieder ein. Dieses Buch, das mir Onkel Irfan vor unserer Abreise geschenkt hatte. Ich hatte schon lange nicht mehr darin gelesen.

»Na los«, sagte Mansour unruhig. »Blätter um. Ich will wissen, wie es weitergeht.«

»Schluss damit!«, unterbrach uns Mama. »Legt den Quatsch wieder weg. Wir haben dafür keine Zeit!«

»Das ist kein Quatsch, Mama, das ist He-Man!«, protestierte Nour.

Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte. Ich klappte das Comicheft zu und legte es wieder ins Regal. Von einem Moment auf den nächsten waren wir nicht mehr im bunten, aufregenden He-Man-Universum, in dem unser Lieblingsheld mit seinen Freunden, den Heroic Warriors, gegen das Böse kämpfte. Wir waren in einer Bahnhofsvorhalle. Mal wieder. Ich griff nach einer unserer Plastiktüten, Nasser nahm die große Sporttasche. Dieses Mal waren wir in der Schweiz gelandet. »Es ist schön hier«, sagte Mama. »Glaubt mir.«

Wir nickten und trotteten ihr hinterher.

»Warum sind wir noch mal weg aus Deutschland?«, fragte Nour.

»Ich weiß es doch auch nicht.«

Aber natürlich wusste ich es. Mama hatte von Verwandten von uns gehört, dass es in der Schweiz sehr viel leichter sein sollte, Asyl zu bekommen, als in anderen europäischen Ländern. Da wir etwa ein Jahr in Deutschland verbracht hatten, ohne dass es irgendwie voranging, setzte sie nun ihre ganze Hoffnung auf die Schweiz. Natürlich war das, was sie gehört hatte, auch nur ein Gerücht. Ich hatte das Gefühl, Mama klammerte sich mittlerweile an jedes Gerücht. Hoffnung ist, was einen Menschen am Leben hält. Und Mama hatte noch immer Hoffnung. Hoffnung auf ein besseres Leben für uns. Dafür bewunderte ich sie. Auch wenn sie uns für ein Stückchen Hoffnung immer wieder aus unserem gewohnten Leben herausriss. Aber ich vertraute darauf, dass sie einen Plan hatte. Dass sie wusste, was sie tut.

Als wir in die Schweiz einreisten, wurde aus der Familie Ramlawi nun die Familie Azzazzi. Wir kamen jetzt offiziell aus Syrien. Ghassan Azzazzi. Ich fand, das klang ziemlich bescheuert.

*

Ich atmete tief durch und schaute auf den weiten blauen See, der sich vor uns erstreckte. Es roch nach Sommer.



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