Red Notice by Bill Browder

Autor:Bill Browder [Browder, Bill]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Hanser
veröffentlicht: 2015-02-25T16:00:00+00:00

Kapitel 23

Abteilung K

Iwan und ich fuhren mit dem Eurostar-Zug um 15.00 Uhr zurück nach London. Wir mussten irgendwo ungestört und unbelauscht reden, und der einzige Platz, der dafür zur Verfügung stand, war zwischen zwei Waggons, wo wir uns auf unbequemen Klappsitzen niederließen. Draußen glitt Nordfrankreich vorüber, eine in Grün und Gelb verschwimmende Landschaft. Wir versuchten, in Moskau und London anzurufen, doch die Verbindung wurde immer wieder unterbrochen, wenn der Zug in Tunnels einfuhr, daher gaben wird es auf und kehrten zu unseren Sitzen zurück, wo wir den Rest der Fahrt schweigend verbrachten. Schon seit ich 1992 das erste Mal russischen Boden betreten hatte, wusste ich, dass Russland ein von Gewalt geprägtes Land war, doch ich war nie persönlich davon behelligt worden und auch niemand in meinem Umfeld. Aber jetzt war alles plötzlich ganz real.

Meine erste Sorge galt Maxim. Sobald ich zu Hause war, rief ich Jamie an und bat ihn, mich auf den neuesten Stand zu bringen. Zum Glück waren seine Verletzungen nicht lebensbedrohlich. Ich drängte Jamie, eine Beschwerde einzureichen, aber er weigerte sich. »Maxim hat Angst, Bill. Die Beamten, die ihn geschlagen haben, haben erklärt, wenn er irgendetwas sagt, würden sie ihn beschuldigen, er sei mit einem Messer auf sie losgegangen, und ihn ins Gefängnis werfen.«

Was konnte ich dagegen sagen? Zumindest würde Maxim sich bald wieder erholen.

Am nächsten Morgen ging ich früh ins Büro. Iwan war schon da und hatte eine handschriftliche Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vor sich, die Emma gefaxt hatte. Ihre Handschrift war übertrieben deutlich und wirkte noch etwas kindlich wie die einer Schülerin, doch der Inhalt des Beschlusses war alles andere als harmlos. Darin hieß es, dass die Abteilung für Steuervergehen des Moskauer Innenministeriums ein Ermittlungsverfahren gegen Iwan eingeleitet habe, da er beschuldigt werde, 44 Millionen Dollar Quellensteuer aus Dividenden zurückbehalten zu haben, die Kameja vereinnahmt hatte. Sie erhoben eine willkürliche Steuerforderung gegen das Unternehmen, und da Iwan diese Organisation für unseren Kunden verwaltete, betrachtete die Polizei ihn als Verantwortlichen.

Unabhängig davon, wie illegitim das russische Strafjustizsystem von außen erscheinen mag, ist Russland ein souveränes Land, mit dem die meisten westlichen Regierungen im Hinblick auf Auslieferungsbegehren, »Rote Notizen« von Interpol und internationale Kontensperrungen zusammenarbeiten. Auch wenn wir in London saßen, konnte es Iwan allerhand Scherereien einbringen, wenn man ein solches Strafverfahren einfach ignorierte.

Der Durchsuchungsbeschluss war haltlos – Kameja hatte denselben Steuersatz gezahlt wie alle anderen Firmen auch –, und Iwan irgendeines Vergehens zu beschuldigen, war besonders ungerecht. Wenn es jemanden gab, der sich genauestens an die Gesetze und Regeln hielt, dann war es Iwan Tscherkassow. Er war ein guter Ehemann, Vater, Freund und Kollege. Seine Anzüge waren immer gebügelt, seine Haare waren stets gepflegt und er war immer pünktlich. Es machte mich wütend, wenn ich mir vorstellte, wie er aufgrund dieser erfundenen Beschuldigung im Büro auf und ab lief, und ich gelobte mir, ich würde alles tun, was in meiner Macht stand, um ihm aus dieser misslichen Lage herauszuhelfen.

Als Erstes beauftragte ich den besten Steueranwalt, den ich in Moskau kannte, einen 35 Jahre alten Rechtsanwalt namens Sergej Magnitski9.

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