Puzo, Mario by Sizilianer Der

Puzo, Mario by Sizilianer Der

Autor:Sizilianer Der [Der, Sizilianer]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-03-23T14:42:16+00:00


Gewiß, La Venera war mindestens fünfzehn Jahre älter als Turi Giuliano. Aber sie war noch keine vierzig. Und obwohl ihr Gesicht nicht schön war, war es immerhin attraktiv, und in ihren Augen glühte ein gewisses Feuer. Auf jeden Fall war sie eine Frau und er ein Mann, und mit dem Tunnel würden sie zu zweit allein sein und ohne jeden Zweifel ein Liebespaar werden, denn kein Sizilianer glaubte daran, daß ein Mann und eine Frau, die allein zusammen waren, wie groß der Altersunterschied auch immer sein mochte, sich so sehr zurückhalten konnten. Der Tunnel zu ihrem Haus, der Giuliano vielleicht eines Tages das Leben rettete, würde sie als eine Frau von schlechtem Ruf brandmarken.

Sie alle - bis auf Turi Giuliano selbst - machten sich Sorgen über seine sexuelle Enthaltsamkeit. So etwas war nicht natürlich für einen Sizilianer. Er war ja beinahe prüde! Seine Männer besuchten Prostituierte in Palermo; Aspanu Pisciotta hatte skandalöse Liebesaffären. Terranova und Passatempo waren die Liebhaber armer Witwen, denen sie teure Geschenke machten.

Passatempo stand sogar in dem Ruf, Verführungsmethoden anzuwenden, die eher typisch für einen Vergewaltiger waren als für einen Liebhaber obwohl er jetzt, da er unter Giulianos Befehl stand, ein bißchen vorsichtiger geworden war, denn Giuliano hatte jedem seiner Männer, der eine Frau vergewaltigte, die Todesstrafe angedroht.

Aus all diesen Gründen hatten sie warten müssen, bis Giulianos Mutter den Namen der Freundin aussprach, und als sie es tat, waren sie überrascht. Denn Maria Lombardo Giuliano war eine fromme, altmodische Frau, die nicht zögerte, die jungen Dorfmädchen Muren zu nennen, wenn sie ohne Begleiterin auch nur über die Piazza gingen. Aber sie wußten nicht, was Maria Lombardo wußte- nämlich daß La Venera keine Kinder mehr bekommen konnte, und sie wußten nicht, daß Maria Lombardo davon überzeugt war, La Venera könne ihren Sohn am besten und gefahrlosesten erfreuen. Ihr Sohn war ein Bandit, auf dessen Kopf ein Preis ausgesetzt war, und konnte leicht von einer Frau verraten werden. Er war jung und sehr männlich und brauchte eine Frau - wer wäre da wohl besser geeignet als eine ältere Frau, die keine Kinder mehr bekommen und nicht auf einer Heirat bestehen konnte? Es war ein perfektes Arrangement. Nur La Veneras Ruf würde darunter leiden; deswegen mußte sie die Entscheidung selbst treffen.

Giulianos Mutter stellte ihr einige Tage später die Frage und war erstaunt, als La Venera sofort mit einem stolzen, freudigen Ja antwortete. Das bestätigte ihren Verdacht, daß ihre Freundin eine Schwäche für Turi hatte. Dann soll es also sein, dachte Maria Lombardo, als sie La Venera dankbar in die Arme schloß.

Vier Monate später war die Abzweigung fertig; die Arbeiten zum Haupttunnel würden noch ein Jahr dauern. In regelmäßigen Zeitabständen kam Giuliano bei Nacht ins Dorf, um seine Familie zu besuchen und nach einer guten Mahlzeit in einem warmen Bett zu schlafen; es gab jedesmal ein Festessen. Aber es wurde doch fast Frühling, bis er sich gezwungen sah, die Abzweigung zu benutzen. Eine starke

Carabinieri-Abteilung, bis an die Zähne bewaffnet, kam die Via Bella herab und marschierte vorbei. Es mußte damit gerechnet werden, daß sie auf dem Rückweg das Haus der Giulianos durchsuchen würden.



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