Okzidentalismus: Der Westen in den Augen seiner Feinde (German Edition) by Ian Buruma & Avishai Margalit
Autor:Ian Buruma & Avishai Margalit [Buruma, Ian]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446249707
Herausgeber: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2015-03-17T16:00:00+00:00
»Das, was wahrhaft unser ist, ist Europa fremd«, postulierte Dostojewskij. Das stimmt ganz offensichtlich nicht. Denn eine ganze Menge von dem, was die Russen als »unseres« betrachteten, war Europa keineswegs fremd, im Gegenteil: Es kam aus Europa.
Ähnlich wie der Wodka, der im 14. Jahrhundert aus dem Westen nach Rußland gelangte, gerade zu der Zeit, als die Osmanen die Serben in der Schlacht auf dem Amselfeld besiegten, wurde auch der Okzidentalismus des 19. Jahrhunderts stark mit Rußland assoziiert, obwohl er großteils aus Deutschland »importiert« worden war. Natürlich läßt sich über die Frage, was denn nun genau aus dem Westen stammt und was genuin slawischen Ursprungs ist, endlos streiten. Sogar die Bezeichnung »Rus« geht möglicherweise auf skandinavische Wurzeln zurück. Deutsche Historiker waren der Ansicht, daß die Russen, sich selbst überlassen, dermaßen anarchisch waren, daß es der skandinavischen Waräger bedurfte, um zumindest eine gewisse Ordnung herzustellen. So sei etwa die Herrschaftsstruktur des alten russischen Königreichs in Kiew von außen auferlegt worden. Diese deutsche Sicht der Dinge ist das genaue Gegenteil zur mitunter schon fast skurril anmutenden Überzeugung des stalinistischen Regimes, alle technologischen Innovationen kämen aus Rußland, aber um keinen Deut weniger absurd. Natürlich sind die Russen dazu in der Lage, ihre eigenen Ideen zu entwickeln. Und natürlich ist es Unsinn, alles, was in Rußland Verbreitung fand, auf westliche Ursprünge zurückzuführen. Der Okzidentalismus in Rußland ist sowohl Produkt der russischen Geschichte wie auch importiertes Denken, das vor allem die romantischen und idealistischen Strömungen der deutschen Philosophie aufgriff.
Eines der wichtigsten Ereignisse der russischen Geschichte ist die Christianisierung des Kiewer Königreichs zur Zeit Wladimirs (973–1019). Wladimir weigerte sich, den römisch-katholischen Glauben anzunehmen, und konvertierte statt dessen 988 zur griechisch-orthodoxen Richtung des Christentums. Diese Entscheidung verankerte Rußland fest in der Ostkirche. Als sich das Zentrum des russischen Lebens von Kiew nach Moskau verlagerte und das Großfürstentum Moskau im 14. Jahrhundert zur Führungsmacht der russischen Fürstentümer wurde, ließ sich auch das Oberhaupt der Orthodoxie in Moskau nieder. In der Folge entwickelte sich Moskau nicht nur zum Sitz der Macht, sondern auch zum geistlichen Mittelpunkt Rußlands. Auf dem Konzil von Florenz 1439 rief die römisch-katholische Kirche zur Vereinigung aller Ostkirchen unter der Führung Roms auf. Dies wurde in Moskau als perfider Akt aufgefaßt, und die russische Kirche entwickelte sich in der Folge zu einer stark nationalen Kirche, die sich vom Schicksal dazu bestimmt glaubte, die authentische christliche Botschaft zu verbreiten. Rußland wurde zur »heiligen Rus« und Moskau zum »dritten Rom«. Die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen zementierte diese messianische Vorstellung, nach der Rußland der einzig legitime Erbe des wahren christlichen Glaubens sei.
Das Großfürstentum Moskau ähnelte in vielerlei Hinsicht eher einer religiösen Zivilisation als einer politischen Ordnung. In den allgemeinen Grundlagen dieser Zivilisation herrschte ein hohes Maß an Uniformität, und die Russen neigten dazu, den Westen als ebenso monolithisch zu betrachten wie sich selbst. Damit unterschätzten sie jedoch die Vielfalt religiösen Denkens im Westen. So war etwa in der russisch-orthodoxen Kirche deutlich weniger Raum für die Theologie. Als wichtiger galten zumeist Fragen des Ritus, der Liturgie und des Mönchtums. Der Zugang der Russen zur Religion war eher von einfacher Frömmigkeit als von Theologie geprägt.
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