Notizen eines Pechvogels by Jurij A. Treguboff

Notizen eines Pechvogels by Jurij A. Treguboff

Autor:Jurij A. Treguboff [Treguboff, Jurij A.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-01T17:00:00+00:00


KRIEG

„Das ist eine Überraschung, Semjon!“ sagt Emi. „Wenn du auch noch einen Tag Urlaub hast, so kehr lieber nach Berlin zurück und schau nach, was dort los ist.“

Lächelnd fügt sie hinzu.

„Der schlauste ist jedoch der kleine Jud Sergej Alexandrowitsch, hat alle seine Geschäftchen abgewickelt und ist verschwunden. Wie man es auch nimmt, was geistige Fähigkeiten angeht, so kann man sie den Juden bestimmt nicht streitig machen. Was uns beide jedoch angeht, so wird kein Krieg unsere Beziehungen verändern können.“

Feierlich küßt Emi mich auf die Stirn.

Im Institut reden alle von Bezugscheinen, Lebensmittelmarken und Textilien. Sie werden nach Punkten gerechnet, so muß man für einen Wintermantel 150 Punkte der Kleiderkarte opfern.

Die Zeit vergeht, mir gegenüber gibt es im Institut keine Veränderungen, anscheinend hat man im Augenblick keine Zeit für mich.

Der Krieg schwillt an und saugt sich voller Blut. Längst ist Polen zerschlagen, England und Frankreich haben den Krieg erklärt. Der Winter 1939/40 ist streng und stürmisch.

Emi und ich jedoch begegnen dem neuen Jahr nicht schlecht. Sie hat alles und päppelt mich auf. Es gelingt ihr lediglich nicht, Benzin aufzutreiben, und so erwirbt sie ein Fahrrad.

Im Westen stehen sich zwei Armeen unbeweglich gegenüber.

*

Ende März bittet mich die mollige und gutmütige Laborantin Schenks, sofort im Büro des Direktors vorzusprechen. Es geht also los!

Im Büro glänzt Professor Schenk durch Abwesenheit, aber Gusti erwartet mich. Sie ist stark gealtert und sieht mich böse und kalt an.

„Jetzt sehe ich, was du für einer bist!“

„Was soll das heißen?“

„Das heißt, daß du ein Lump bist! Was hast du mir für all meine Güte angetan! Ohne mich wärest du schon seit fünf Jahren nicht mehr im Institut. Mein ehemaliger Gemahl, genauso ein Lump wie du, hatte schon Anstalten getroffen, dich rauszuwerfen, ich aber habe ihn überredet, das nicht zu tun. So dumm bin ich gewesen und habe mich sogar noch mit Liebe zu dir beschäftigt. Wie aber zahlst du mir das zurück? Was hast du mir nicht alles erzählt, deine Schwüre und Beschwörungen! Deine ewige Liebe sollte ich sein und dein erster Freund bin ich gewesen.

Was ist passiert? Keiner Seele habe ich etwas über unsere Verbindung gesagt, du aber hast alles ausgeplaudert, reinen Tisch gemacht dem Menschen gegenüber, den ich tatsächlich liebe, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben, und der meiner würdig ist, nicht so eine russische Popel wie du!“

„Wie? Niemandem willst du etwas gesagt haben? Dein Mann hat doch alles gewußt!“

„Hast du denn darunter gelitten? Davon hast du doch nur profitiert! Ich habe doch schon lange nicht mehr mit ihm zusammengelebt, und nach der Sache mit Gert wollte dich die geheime Staatspolizei vorknüpfen. Du bist doch Russe und nichts ist einfacher, als in dir einen Kommunisten zu vermuten! Ich allein habe dich rausgehauen.

Ja, da habe ich einen Liebhaber gefunden! Du aber hast deine Seele vor Professor Schenk ausgekotzt, meinem Bräutigam. Es fehlte nur noch, daß du Aktenvermerke für ihn angefertigt hast. So hast du mir all meine Güte vergolten!“

„Gusti, ich bitte dich!“

„Nenne mich nicht Gusti! Ein Lump bist du, ein Dussel und Feigling! Zwischen uns ist alles beendet!“

„Und



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