Nacht ohne Sterne (German Edition) by Gesa Schwartz

Nacht ohne Sterne (German Edition) by Gesa Schwartz

Autor:Gesa Schwartz [Schwartz, Gesa]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: cbt
veröffentlicht: 2015-10-01T16:00:00+00:00


24

Das Hemd verfärbte sich unter Nayas Fingern purpurrot, so fest hielt sie es umklammert. Schnell zog sie die Hand zurück und ging weiter an den Kleiderreihen vorüber, als würde sie ihnen tatsächlich ihre ganze Aufmerksamkeit schenken. Dabei schaute sie immer wieder zu dem schmalen Spalt des Eingangs hinüber, durch den Vidar verschwunden war.

Warte hier, hatte er geflüstert, ohne seinen Blick von den Kriegern abzuwenden. Ich werde sie auf eine andere Fährte lenken und dann verschwinden wir.

Damit hatte er das Zelt verlassen. Nur kurz war es Naya gelungen, seine Schritte zu verfolgen, ehe er mit Ashar im Gewühl des Marktes untergetaucht war. Dann hatte sie sich ins Innere des Zeltes zurückgezogen und versuchte seitdem, sich so interessiert wie möglich die Kleider anzuschauen. Sie wusste nicht, wie lange Vidar und Ashar schon fort waren, aber jeder Augenblick zog sich wie eine Ewigkeit, und jedes Mal, wenn der Vorhang des Eingangs beiseite geschlagen wurde, blieb ihr fast das Herz stehen.

Das schrille Lachen einer Fee mit grünen Haaren, die vor einer Weile hereingekommen war und sich angeregt mit den Kobolden unterhielt, zerrte zusätzlich an Nayas Nerven. Sie hatte gerade beschlossen, sich unauffällig in eine andere Ecke des Zeltes zurückzuziehen, als das Rascheln des Vorhangs sie in die Deckung trieb. Vorsichtig spähte sie hinter einer Mantelreihe zum Eingang hinüber. Das Licht des Marktes erhellte die Umrisse eines Bharassar, der inmitten der filigranen Gewänder aussah wie in einer ihm völlig fremden Welt. Er trug die dunkle Uniform der Schattenkrieger, doch die Embleme des Königs waren zerrissen, und stattdessen zogen sich düstere Zeichen über Arme und Brust. Erst als er einen Schritt vortrat, konnte Naya sein grobschlächtiges Gesicht erkennen. Sein Mund war nicht mehr als eine blasse Narbe und seine Nase schien bereits mehrfach gebrochen worden zu sein. Pfeilschnell flog sein Blick über die Kleiderreihen und ließ sie den Kopf zurückziehen. Sie hatte keine Ahnung, wer der Kerl war, aber eines stand fest: Er war nicht wegen der Kleider gekommen.

So leise wie möglich wich Naya zurück. Der Fremde versperrte den Weg zum Eingang und abgesehen von einem Kleiderständer mit bunten Tüchern gab es für sie kein erreichbares Versteck. Sie kauerte sich in seinem Schatten nieder, aber im selben Moment hörte sie die Schritte des Fremden näherkommen. Sein Blick schien die Tücher vor ihr zu verbrennen, so eindringlich durchsuchte er das Zelt. Schon spürte sie die Hitze auf ihrer Haut, als jemand nach ihrem Arm griff. Sie unterdrückte einen Schrei und sah der Na’mhàrye in die Augen, die dicht neben ihr stand. Kurz nur blitzten ihre Zähne blutrot unter ihrem Lächeln auf. Dann hob sie die Hand und schlitzte die Zeltplane hinter ihr mit lautloser Geste auf.

»Fliege!«, flüsterte sie, und für einen Moment sah Naya sich selbst durch das Blau der Feenaugen gleiten wie in einem wunderschönen Traum – einem Traum, der ewig sein würde. Sie neigte leicht den Kopf. Dann zog die Fee die Plane auf, und ehe der Fremde sie erreicht hatte, glitt Naya ins Freie.

Die Geräusche des Marktes hüllten sie ein wie eine schützende Glocke. Dennoch duckte sie sich, als sie hinter den Ständen vorüberhuschte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.