Mercy, Band 2: Erweckt by Rebecca Lim

Mercy, Band 2: Erweckt by Rebecca Lim

Autor:Rebecca Lim
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: Ravensburger Buchverlag
veröffentlicht: 2012-02-05T11:49:17+00:00


Bevor ich links nach Chinatown abbiege, blicke ich kurz über die Schulter, aber Sulaiman ist schon weg. Er irrt sich, wenn er glaubt, dass ich mich vor meinen Pflichten drücke. In Wahrheit will ich so schnell wie möglich zu Lelas Mutter zurück, denn ihre Stunden sind gezählt – so heißt es doch? Und ich will nicht, dass sie alleine stirbt.

Dass sie Azrael allein gegenübertreten muss.

Wie komme ich plötzlich auf diesen Namen? Ich kann mir kein Gesicht, keine Gestalt dazu vorstellen. Ich grüble auf dem Weg zum Internet-Café darüber nach, dann schiebe ich die Gedanken beiseite – ist wohl nur eine weitere Gedächtnislücke – und betrete den engen, klimatisierten Laden, der mit Computern und Kabeln vollgestopft ist.

Ich studiere die grelle Beschilderung an den Wänden und reiche dem Mann hinter der kugelsicheren Scheibe einen Fünfer. Er gibt mir einen Chip dafür und deutet mit dem Kinn auf den Raum voller Computer. „Ich sag Ihnen Bescheid, wenn Ihre Zeit um ist“, sagt er.

Außer mir sind nur zwei andere Leute da. Ein nach saurem Schweiß riechender Mann in der Nähe der Tür, der verstohlen zu mir herschaut, dann die Schultern fallen lässt und wieder auf seinen Bildschirm starrt. Und ein asiatischer Junge, der wie fünfzehn aussieht, aber wahrscheinlich schon über zwanzig ist.

Ich gehe zu dem Jungen hinüber, der in ein blutiges Kriegsspiel vertieft ist: Flammenwerfer, Hightech-Waffen und zerfetzte Menschen, die in Großaufnahme qualvoll sterben. Er blickt nicht auf, als ich mich an ihm vorbeidränge und an einen Rechner setze.

Ich werfe meinen Chip ein, führe den Cursor in den kleinen Balken am oberen Seitenrand und tippe sorgfältig die Buchstabenfolge für die Seite ein, die Ranald in seinen Laptop eingegeben hat. Ein paar Sekunden später fragt der Computer nach meiner E-Mail-Adresse und einem Passwort, und ich gebe die E-Mail-Adresse ein, die ich heute Morgen gesehen habe, und das Wort Misericordia, das mir ein leises Lächeln entlockt.

Dann bleibt mir fast die Luft weg, als ich mit einer Flut von Werbung überschüttet werde: Anzeigen für Schlankheitsmittel, Antifalten-Cremes und Hörbücher zum Ausprobieren, bei Nichtgefallen zurück. Dinge, von denen ich bisher gar nicht wusste, dass ich sie brauche, „maßgeschneidert“ für mich. Es dauert eine Weile, bis ich das alles verdaut habe, aber dann sehe ich mir die Seite genauer an und stelle fest, dass ein Freund von mir online ist, der dringend mit mir chatten will.

Ich studiere das kleine Fenster, das unten an meinem Bildschirm aufgegangen ist, die Mini-Version des Fotos, das ich bereits gesehen habe. In schwarzen Buchstaben steht da:

Verdammt, Mercy, bist du das wirklich? Antworte mir!

Fast unbeteiligt registriere ich, dass Lelas Hände leicht zittern. Bei Ryan ist es jetzt nach Mitternacht. Ich kann nicht fassen, dass wir wieder zusammen sind – irgendwie jedenfalls.

Ich tippe zurück:

Ja. Du kannst einen Beweis von mir verlangen, wenn du mir nicht glaubst.

Wie heißt mein Vater? Meine Mutter?, schreibt er sofort zurück.

Ich antworte grinsend: Zu leicht. Stewart, Louise. Fällt dir nichts Besseres ein? Hätte ich im Telefonbuch nachschlagen können.

Er tippt: Wie heißt das Stück, das Carmens Chor für das Schüleraustausch-Konzert einstudiert hat?

Ich antworte ohne Zögern:

Gustav Mahler, 8.



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