Mannfrau by Hilde Link

Mannfrau by Hilde Link

Autor:Hilde Link
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Frau, Indien, Prostitution, Tanz, Transsexualität
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 2016-08-11T00:00:00+00:00


Reise zu Niveda

Wenn man aus dem Gelände von Kalakshetra heraus will, muss man nachweisen, dass man abgeholt wird, egal wie alt man ist. Natürlich gab es Mittel und Wege, trotzdem hinaus zu kommen, was vor allem meine Klassenkameradinnen gut raus hatten. Sie trafen sich immer mit den College boys an der Uferpromenade der Stadt und aßen angeblich mit denen Eis. Aber mit College boys hatte ich rein gar nichts am Hut. Bisher wurde ich immer nur von Mama und Papa abgeholt, wenn diese in den Ferien nach Indien kamen. Dass ich die ganze restliche Zeit in Kalakshetra saß, während die anderen draußen waren, war doof, aber, naja, war nun mal so. Ich hatte die Zeit zum Üben genutzt und wurde so eine der Besten in der gesamten Schule. Außerdem fühlte ich mich in Kalakshetra sicher. Hier gab es keine Lehrerhelfer irgendeiner Art. Meine geschundene Seele machte gute Fortschritte in Richtung Genesung.

Es war schon gegen Ende meiner Studienzeit, als ich plötzlich dachte, ich würde Niveda vielleicht in Kuvakkam, das ist auch in Tamilnadu, begegnen. An diesem Ort treffen sich einmal im Jahr die Ali aus ganz Indien, ob sie nun operiert sind oder nicht. Die Tirunankai aus dem Süden und die Hijra aus dem Norden heiraten den Gott Aravan. Diese rituelle Hochzeit ist auch heute noch Teil einer Lebenswirklichkeit, die im Hier und Jetzt stattfindet. Da wird nicht irgendein mythisches Ereignis »nachgespielt« oder sowas. Allerdings muss das Fest immer mehr herhalten als eine Plattform für Politiker, die Ali mit Versprechungen als Wähler für ihre Partei gewinnen wollen.

Ich weiß gar nicht, warum ich ausgerechnet kurz vor meinem Abschluss in Kalakshetra das Gefühl hatte, nach Kuvakkam reisen zu wollen. Von diesem Ort wusste ich, seit ich bei meiner Ali-Mutter Rasiga war, denn diese war selbstverständlich jedes Jahr im April, an Tamil-Neujahr, verschwunden und zusammen mit Kaviya nach Kuvakkam gereist. Kaviya war dann immer noch verstörter zurück gekommen als sie eh schon war. Kein Wunder: In den letzten Jahren ist das ganze medienwirksame Event auch immer mehr zum Open-Air-Puff verkommen. Niveda und ich hatten zu Hause bleiben müssen, nicht weil wir beide noch zu jung waren für das, was dort abgeht, sondern weil eine Hochzeit Geld kostet, auch wenn ein Gott geheiratet wird.

Die Geschichte von Aravan gehört zu unserer mündlichen Tradition in Tamilnadu, die nur zum Teil mit dem großen Epos Mahabharata überein stimmt: Es kämpfen zwei miteinander verwandte Familien gegeneinander. Die hundert Kauravas und deren Anführer Duryodhana, gegen die fünf Pandavas mit ihrem Anführer Arjuna. Schauplatz des Geschehens ist das Schlachtfeld Kurukshetra. Damit die Pandavas den Erbfolge-Krieg gewinnen können, müssen sie tun, was Arjunas Wagenlenker, der Gott Krishna, sagt: Ein Menschenopfer muss dargebracht werden. Aravan, der Sohn Arjunas und der Schlange Ulupi, wird erwählt. Aravan wird in unserer mündlichen Überlieferung gleichgesetzt mit Kuttandavar. Im Epos Mahabharata heißt Aravan Iravat und stirbt ganz unspektakulär einfach in der Schlacht. In unserer Tamil-Tradition wird er jedoch als Opfer dargebracht, damit der Krieg von den fünf Pandavas gewonnen werden kann. Eigentlich hatte Krishna angeboten, sich selbst zu



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