Luftschiff by Siepen Stefan aus dem

Luftschiff by Siepen Stefan aus dem

Autor:Siepen, Stefan aus dem [Siepen, Stefan aus dem]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783423429801
Herausgeber: DTV - Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2016-08-26T00:00:00+00:00


7

Neise betrachtete im Spiegel sein übernächtigtes Gesicht. Die Haut hatte eine deutliche Beimischung von Grau und Braun und schien galoppierend zu altern. Unter den verquollenen Augen malten sich Schatten, die selbst der beste Wille zur Selbsttäuschung nicht auf die ungünstigen Lichtverhältnisse in der Kabine zurückführen konnte. Er erinnerte sich nicht, sein Gesicht je in ähnlicher Verfassung gesehen zu haben, aber kein Wunder: In seinem bisherigen Leben hatte er seelische Aufgewühltheit immer nur in folgenlos kleinen Dosen kennengelernt, war größeren Anstrengungen mit Umsicht aus dem Weg gegangen, hatte von allem die Finger gelassen, was seine Haut grau und braun hätte machen können.

Im Himmel trieben gewaltige Wolken vorüber und hielten die Sonne versteckt. Nach dem grellen Licht zu schließen, musste es recht spät am Morgen sein. Wahrscheinlich hatte er noch länger in den Tag hineingeschlafen als sonst, was allerdings nach einer zerstückelten Nacht wie dieser nicht verwunderlich war. Er sah zur Bettkonsole hinüber – der Reisewecker war stehen geblieben. Gestern Abend musste er im allgemeinen Durcheinander vergessen haben, ihn aufzuziehen. Er nahm die Taschenuhr vom Tischchen – auch sie war stehen geblieben. Diese doppelte Nachlässigkeit erstaunte ihn – so sehr, dass er sich auf die Bettkante setzen musste. Das abendliche Aufziehen der Uhren gehörte zum engeren Ritualbestand; seit seinem achten oder neunten Geburtstag, als er die erste Kinderuhr von seiner Mutter geschenkt bekommen hatte, war es noch nie ausgefallen, so jedenfalls glaubte er. Mit unsicheren Fingern nahm er den Wecker von der Konsole, um die beschädigte Ordnung wiederherzustellen. Dabei fiel ihm ein, dass er ja die Uhrzeit nicht kannte, sodass er den Wecker zwar aufziehen, nicht jedoch stellen konnte. Eine Weile dachte er darüber nach, wie er sich aus dieser Zwickmühle befreien könne, dann ging er zum Spiegel und griff nach der Bürste aus Rosshaar.



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