Lesereise Kopenhagen by Barbara Denscher

Lesereise Kopenhagen by Barbara Denscher

Autor:Barbara Denscher
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien
veröffentlicht: 2015-02-26T16:00:00+00:00


Das bescheidenste Volk der Welt

Die dänische »hygge« und das Jantegesetz

Die Dänen sind unhöflich – meint Torben Steno. Die Kritik des populären Journalisten, Musikers und Buchautors an den heimischen Umgangsformen ist sicher in manchem überzogen, und vieles von dem, was dem bulligen Pfarrerssohn mit Hang zum Humoristischen missfällt – vom exzessiven Mobiltelefonieren bis zu Rüpeleien im Straßenverkehr –, gehört wohl auch in vielen anderen Ländern zu den aktuellen Aufregern. Mit dem 2011 erschienenen Buch »Længsel efter faste former« – wörtlich übersetzt »Sehnsucht nach festen Formen« – aber hat Steno eine breite Diskussion über gutes Benehmen ausgelöst und in seinem, wie er es im Titel des Einleitungskapitels nennt, »rülpsenden Land« einiges an Zustimmung gefunden.

Er träume davon, schreibt Torben Steno in seinem Buch, mit all jenen Menschen, mit denen er nichts zu tun haben wolle, »auf ›Sie‹ trinken« zu können. Dieser Traum wird allerdings nicht in Erfüllung gehen, und auch »auf Du« trinkt in Dänemark niemand mehr. Denn die Dänen sind aufs allgemeine Duzen übergegangen, die Anredeform »Sie« ist nahezu ausgestorben. Es ist dies ein Resultat der gesellschaftlichen Umbrüche rund um das Jahr 1968. Begonnen hatte die allgemeine dänische Verbrüder- und Verschwesterung in den Schulen, so erinnert sich der 1959 geborene Steno, bei den politisch engagierten jungen Lehrerinnen und Lehrern. Für sie war es ein wesentlicher Teil ihres pädagogischen Konzepts, dass sie von den Schülerinnen und Schülern geduzt wurden. Diese machten begeistert mit und »sagten nur noch Sie zu ein paar ganz alten Lehrern, für die ihre jüngeren Kollegen nicht mehr als ein nachsichtiges Achselzucken übrig hatten«.

Mittlerweile ist ganz Dänemark per Du. Es sei denn, man plaudert mit der Königin. Die muss natürlich auch weiterhin mit De – der dänischen Form von Sie – angesprochen werden, darin sind sich, wie eine Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov im Sommer 2012 gezeigt hat, vierundsechzig Prozent der Dänen einig. Damit aber beim royalen Gespräch kein Fauxpas passiert, sollte man es sich wohl doch noch einmal gut überlegen, ob man das De wirklich ganz offiziell aus dem Sprachschatz streichen will, so wie es sich – laut Umfrage – mehr als ein Viertel der Dänen wünscht. Der Sprachforscher Ole Ravnholt vom Dansk Sprognævn – jenem Institut, von dem das offizielle dänische Rechtschreibwörterbuch herausgegeben wird – hat dafür durchaus Verständnis. Im täglichen Sprachgebrauch gebe es das Sie ohnehin nicht mehr, es sei, so sagt Ravnholt, »abgewickelt«: »Es ist Ausdruck eines stark egalitären Denkens, dass wir keine Ausdrücke verwenden wollen, die Rang oder Distanz markieren, sondern stattdessen solche, die Nähe bezeichnen.«

Viel Zustimmung für die Abschaffung des De findet sich auch in den dänischen Internetforen, wo das Thema ausführlich diskutiert wird. Jemanden mit Sie anzusprechen sei »unverschämt arrogant«, ist da zu lesen, und einer der Diskutanten verkündet: »Nicht einmal zehn schnaubende, wild ausschlagende Pferde können mich dazu bringen, diese antiquierte Anredeform zu verwenden. Ich sage konsequent ›du‹ – übrigens auch in Deutschland.« Ein wenig anders sieht es Buchautor Torben Steno. Er kann der Sie-Anredeform der Deutschsprechenden durchaus etwas abgewinnen, denn: »Sie müssen nicht, so wie wir Dänen, andauernd Freunde spielen und in einem jovialisierten öffentlichen Raum agieren.



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