Knickgeflüster by Freund Marc

Autor:Freund, Marc [Freund, Marc]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783804230484
Herausgeber: Boyens Buchverlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

- 22 -

ZIERCKE BEBTE VOR Wut. Und das schon seit dem Nachmittag, kurz nachdem Jürgen Packulat bei ihm gewesen war, beinahe heulend vor Angst, dieses verdammte Weichei. Es war ein Fehler gewesen, den Typen in seine Pläne einzuweihen. Aber Fehler waren wohl dazu da, begangen zu werden. Es war nicht zu ändern. Außerdem war Jürgen nicht das Problem. Das hörte auf einen anderen Namen: Erich Kohn.

Ziercke drückte seine Zigarette aus. Er dachte an den Künstler und drückte noch fester zu, so das sein Daumen und sein Zeigefinger eine kleine, weiße Schraubzwinge bildeten.

Sein Handy lag in Greifweite. Er war versucht, noch einmal auf die Taste der Wahlwiederholung zu drücken, doch er wusste, dass auch dieses Mal niemand im Hause Kohn an den Apparat gehen würde. Und das war es, was ihn noch am meisten ärgerte. Was bildete sich dieser Dreckskerl ein, den Kontakt abzubrechen, wenn Ziercke ihn sprechen wollte?

Der junge Arbeitslose trat gegen das alte Computergehäuse, das unter seinem Schreibtisch stand und einen blechernen Laut von sich gab.

Jeden Augenblick musste Jürgen hier sein, den Ziercke hierherbestellt hatte. Sie würden zusammen zu Kohn fahren und das direkte Gespräch mit dem Alten suchen. Zu diesem Zweck hatte Ziercke bereits einen silbernen Schlagring und ein Springmesser auf die Platte seines Schreibtischs gelegt.

Jürgen hatte sich vor diesem Einsatz drücken wollen, doch Ziercke ließ ihm keine andere Wahl. Entweder sie zogen diese Sache jetzt zusammen durch, oder Packulat war draußen. An Kohn konnten sie beide genug verdienen, wenn sie es nur geschickt anstellten.

Doch heute war einiges schiefgelaufen. Dass Kohn sich wehren könnte, das hatte Ziercke nicht eingeplant. Vielleicht war es ein Bluff des Alten, vielleicht wollte er aber auch nicht kampflos aufgeben. Letzten Endes würde er zahlen. Ihm blieb nichts anderes übrig, es sei denn, er zog es vor, für den Rest seines Lebens hinter Gitter zu wandern.

Ziercke erschauerte plötzlich, als ein Schwall kalter Luft über seinen Rücken zog. Im nächsten Moment klappte leise eine Tür im Haus.

„Komm rein“, rief er, nachdem er auf die Uhr seines Monitors gesehen hatte. „Ausnahmsweise sogar mal pünktlich. Wir haben noch ein paar Minuten Zeit.“

Er sah noch einmal nach dem Verlauf seiner Downloads, mit denen er sich gerade ein paar neue Hörspiele illegal aus dem Netz saugte. Die waren cool, um sie nebenbei zu hören.

Eine Bewegung hinter ihm.

Ziercke reagierte noch immer nicht, obwohl er es eigentlich inzwischen hätte bemerken müssen. Es war kein Wagen vor dem Haus vorgefahren, wie sonst üblich. Packulat kam auch nicht mit der gewöhnlichen Begrüßung herein und pflanzte sich ungefragt irgendwo hin.

Er runzelte die Stirn. Der Downloadvorgang lag bei achtundneunzig Prozent. Kein guter Moment, um den Blick abzuwenden. Ziercke tat es dennoch.

Das Messer traf ihn im Bereich der linken Schulter. Tief bohrte sich die Klinge in sein Fleisch, denn die maskierte Gestalt hatte den Hieb mit großer Kraft ausgeführt.

Ziercke riss ungläubig die Augen auf. Sein Bürostuhl rollte nach hinten und knallte mit der Rückenlehne gegen die Kante des Schreibtischs. Der Monitor zitterte, wackelte und blieb wie durch ein Wunder stehen. Der junge Mann fühlte den heißen Schmerz in seiner Schulter.

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