Kleinhirn an alle: Die große Ottobiografie - Nach einer wahren Geschichte (German Edition) by Otto Waalkes

Autor:Otto Waalkes [Waalkes, Otto]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2018-05-13T22:00:00+00:00

Ich glaube, dass das Handwerk des Literatur-, Musik- und Theaterkritkers das nichtswürdigste aller Handwerke ist und keinen wirklichen Wert hat – jedenfalls keinen großen.

Mark Twain

Kritik, verdrossen

Als Mark Twain in seiner Autobiografie dies Verdammungsurteil fällte, gab es noch keine Filmkritik. Auch seine Beobachtung, es gebe »in Amerika nicht einen Mann der Feder, der den Mut aufbrachte, auf eigene Verantwortung etwas Kühnes und Originelles über das Buch zu sagen«, trifft auf deutsche Filmkritiker nicht zu.

OTTO – Der Film machte ihnen trotzdem Probleme: ihn genremäßig einzuordnen fiel offenbar nicht leicht. Komikerfilme waren in Deutschland nicht ganz neu – Rühmann und Erhardt hatten schon Ansätze gezeigt –, doch eine One-Man-Show in dieser Konsequenz kam für die Kritiker wohl völlig unerwartet. Alles ist auf eine Figur zugeschnitten, das übrige Personal, ob Mit- oder Gegenspieler, nur dazu da, um den Helden in Bewegung zu setzen und zu halten. Oder um ihm mindestens drei Probleme zu machen. Ja, die Dramaturgie eines Komikerfilms weicht von üblichen Erzählstrukturen ungewöhnlich weit ab.

Das Entsetzen, das dieser Film bei vielen Kritikern auslöste, kam für mich überraschend und lässt darauf schließen, dass sie in ihren Grundüberzeugungen erschüttert waren. Zu ihren akademischen Vorurteilen gehörte, dass die Stufe zwischen komisch und ernst gemeinten Produktionen immer noch sehr hoch war. Sie ließen sich also herab und maßen alles an diesem Ordnungsprinzip: Dass das Tiefe dem Flachen vorzuziehen sei, stand für sie fest, und Tiefe suchten sie hier – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, formal wie auch inhaltlich – vergebens.

Ebenso sicher rangierte das Neue über dem Alten – ob Kritiker das Neuartige allerdings immer gleich erkennen, bleibt zweifelhaft.

Selbstverständlich wollen Interpreten mit dem Sinnfreien nichts zu tun haben, mit dem Bedeutungsvollen können sie wesentlich mehr anfangen.

Von Robert Gernhardt stammt der diesbezügliche Vers: »Mein Gott, ist das beziehungsreich, ich glaub’, ich übergeb mich gleich.«

Robert hat sich seinerzeit sogar die Mühe gemacht, eine Blütenlese der Reaktionen zusammenzustellen, für mich war das sehr lehrreich.

Viele Kritiker waren ernstlich böse, mit Beleidigungen wurde nicht gespart: »Erbärmlich«, »dämlich«, »geschmacklos«, kurz: »unter aller Sau«.

Die Tageszeitung in Berlin zählte wöchentlich die Millionen Deutscher, die OTTO – Der Film schon heillos »verblödet« hatte – Variety aus Hollywood hielt dagegen: »OTTO is good fun.« – »Den prekären Kreislauf des Kloakenhumors« registrierte naserümpfend die Frankfurter Rundschau – die Münchner Abendzeitung dagegen pries die Einzigartigkeit dieser »satirischen Nonsenskomödie«. »Keine Überraschungen« hatte die Frankfurter Allgemeine erlebt. – »Dennoch überrascht dieser Film«, zumindest die Lüdenscheider Nachrichten. Eine »Nummernrevue« missfiel der Kölnischen Rundschau – »keine Nummernrevue« lobte der Evangelische Pressedienst ausdrücklich. Über »die flachen Lacher« mokierte sich das Magazin Zitty – »eine hintersinnige Komödie« erfreute den Oberpfälzischen Kurier. »Erbärmlich ist das Handlungsgerüst« zumindest für die Badische Zeitung – professionelle »Qualitätsarbeit« dagegen das Gütesiegel der bereits zitierten Abendzeitung. Das Fachblatt Filmfaust siedelte den Film »unter aller Hallervorden« an – »verglichen mit Hallervorden … ein Meisterwerk« war er für die Stuttgarter Zeitung. »Nur die musikalischen Parodien« missfielen den Salzburger Nachrichten – die allein nun wiederum die Hannoversche Allgemeine gar »nachhaltig erheitern« konnten. »An die Marx Brothers darf man«, der Welt zufolge, »nicht mal denken« – Variety musste genau das: »If there is someone Otto resembles … it’s Harpo Marx.

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