Kleine Romane by Voltaire

Kleine Romane by Voltaire

Autor:Voltaire [Voltaire]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frodok for Mobileread.com
veröffentlicht: 2013-11-18T00:00:00+00:00


V. Skarmentado's Reisen

von ihm selbst beschrieben.

Geschichte.

Ich ward in der Stadt Kandia im Jahre 1600 geboren. Mein Vater war daselbst Stadthalter. Ich erinnere mich, daß ein gewisser mittelmässiger Poet, Namens Ireo, dessen Verse aber nicht mittelmässig holprig waren, ein elendes Lobgedicht auf mich verfertigte, worin er mich in grader Linie von Minos absteigen lies. Als aber mein Vater in Ungnade geriet, macht' er ein andres Gedicht, worin ich nur von der Pasiphae und ihrem Buhlen abstammte. Es war ein erzboshafter Mensch, dieser Iro, und der überlästigste Schurke auf der ganzen Insel.

Mein Vater sandte mich in einem Alter von funfzehn Jahren nach Rom, um daselbst zu studieren. Ich kam in der Hofnung an, dort alle Wahrheiten zu lernen, denn bis jezt hatte man mich ganz das Gegentheil gelehrt, wie's in dieser Unterwelt Brauch ist, von Schina an bis zu den Alpen. Monsignor Profondo, dem ich emfolen worden, war ein sonderbarer Mensch und einer der entsezlichsten Gelehrten, den es nur in der Welt gab. Er wollte mich die Kategorieen des Aristoteles lehren, und war im Begrif, mich zur Kategorie seiner Lieblinge zu bringen. Ich entwischte noch mit blauem Auge.

Ich sahe Prozessionen, Exorzismen und einige Räubereien. Man sagte (allein es war eine grosse Unwahrheit) die Signora Olympia, ein sehr kluges Frauenzimmer, verkaufte viele Sachen, die man nicht verkaufen mus. Ich ward in einem Alter, wo mir das alles sehr drollicht vorkam. Eine junge Dame von sehr sanften Sitten, Signora Fatelo genannt, lies sich's einfallen, mich zu lieben. Der ehrwürdige Pater Poignardini und der ehrwürdige Pater Aeoniti, junge Professen eines Ordens, der jezt nicht mehr vorhanden ist, machten ihr den Hof. Sie wusste Beide in Eintracht zu erhalten, indem sie mir ihre Gunst in vollem Maasse schenkte; zu gleicher Zeit aber lief ich Gefahr, exkommunizirt und vergiftet zu werden. Ich reiste von Rom ab, sehr zufrieden mit der Bauart der St. Peter's Kirche.

Ich ging nach Frankreich. Meine Ankunft daselbst traf in die Zeit der Regierung Ludwig's des Gerechten. Die erste Frage, die man an mich that, war die: ob ich zum Frühstük einen Mundbissen vom Marechall d'Ancre verlangte, dessen Fleisch der Pöbel eben hatte rösten lassen und wovon, wer Liebhaber war, um sehr guten Preis haben konnte.

Dieser Staat war unaufhörlich ein Raub bürgerlicher Kriege; bisweilen wegen einer Stelle im Konseil, bisweilen wegen ein Paar Seiten aus der Polemik. Länger denn sechzig Jahre hatte dies Feuer, das bald unter der Asche fortglimmte, bald mit Heftigkeit angeblasen war, diese schöne Himmelsstriche verheeret. Das waren die Freiheiten der Gallikanischen Kirche. Ach! sagt' ich, dies Volk ist gleichwohl von Natur sanft; was kann es wohl so um seinen eigenthümlichen Karakter gebracht haben? Es liebt Scherz und Schäkerei und richtet eine Bluthochzeit aus. Glükliche Zeiten, wo es nichts weiter treiben wird, als Scherz und Schäkereien!

Ich begab mich nach England. Gleiche Streitigkeiten entzündeten daselbst gleiche Wut. Höchst andächtige Katholiken hatten beschlossen, des Wohls der Kirche wegen, den König, die königliche Familie, und das ganze Parlement durch Pulver in die Luft zu sprengen, und so England von diesen Kezern zu befreien. Man



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