Kleine Dichtungen by Robert Walser

Kleine Dichtungen by Robert Walser

Autor:Robert Walser [Walser, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-08-18T22:00:00+00:00


Der Jagdhund

Auf meinen kleinen, ich muß und darf sagen, winzig kleinen Wanderungen sehe ich allerlei Hunde, und ich habe die drolligen vierfüßigen Burschen schon ordentlich liebgewonnen. Da ist vornehmlich der Karrenhund, den die Metzger und Milchhändler an ihre Handwagen spannen. Er ist ein prächtiger, pflichtbewußter Kerl, und ich achte ihn ganz außerordentlich. Längst schon hatte ich immer im Sinn, einmal ein Wort über ihn zu sagen. Er verdient Anerkennung in jeder Hinsicht, und wer sich die Mühe nimmt, ihn aufmerksam zu beobachten, wie er so ganz und gar der Eifer und die Treue selber ist, wie er seinen Zweck und seine Bestimmung so schön versteht und aufgeht in der Aufgabe, die er zu erledigen hat, der wird nicht anders können als ihn loben. Freudig, ja oft sogar feurig und stürmisch zieht er den Wagen vorwärts, und wenn er so recht arbeiten, ziehen und seine Kraft anstrengen kann, läßt er ein kräftiges, fröhliches Gebell vernehmen, daß man deutlich hört und sieht, wie ihm der Dienst Vergnügen macht. Heute früh auf meinem Rundgang sah ich einen Hund sich mit wahrer Wonne im frischen Schnee hin- und herwälzen, was einen Anblick gewährte, der sich meinem Kopfe einprägte. Reizend spielen oft große starke Hunde mit ganz kleinen Kindern, und überaus sehenswert ist es, wie der kraftvolle Kerl sich da dem zarten Kinde so hübsch, so gefällig anpaßt und auf die kleinste und feinste Bewegung sorgfältig acht gibt, die das Kind beliebt auszuführen. An Aufmerksamkeit ist der Hund ein König, und sein treues ehrliches Verständnis leuchtet ihm überraschend schön aus den Augen. In unserer Stadt gibt es viele Hunde, und daß sie gut gehalten und gut behandelt werden, sieht man ihnen an. Beinahe schrecklich in ihrem wütenden Eifer sind Jagdhunde. Ich saß einmal vergangenen Sommer im stillen tiefgrünen Wald auf einem Stein. Ringsum wundersames, zartes, dichterisches Schweigen. Mit einmal rast die klägliche, jämmerliche Jagd daher. Ein armer Hase springt durch die Waldesstille, und hinter ihm her, mit zornigem Geheul, welches die Stille jäh unterbricht, rennt der Hund mit ungestümen Sätzen, der glühende, eingefleischte Verfolger, entsetzlich hingegeben seiner grausamen Aufgabe. Er kriegte aber den Hasen nicht, denn später sprang er wieder an mir vorbei, jetzt, so, wie wenn er verwundet worden wäre, Jammerlaute ausstoßend. Er hatte sein Ziel nicht erreicht, das leidenschaftlich ins Auge gefaßte Ziel, und gab sich jetzt dem Schmerze hin. Er war ganz Trauer, ganz tödliche Enttäuschung.



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