Killmousky by Sibylle Lewitscharoff

Killmousky by Sibylle Lewitscharoff

Autor:Sibylle Lewitscharoff [Lewitscharoff, Sibylle]
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: suhrkamp
veröffentlicht: 2014-04-23T05:00:00+00:00


IX

Als er im Auto saß, nahm er das Photo noch einmal zur Hand. Drei der Kinder waren schwer zu erkennen, zwei davon Buben, eines wahrscheinlich ein Mädchen. Man hätte Adleraugen dafür gebraucht. Vielleicht zeigte die Vergrößerung, ob einer der verdeckt stehenden Buben Larson sein konnte. Auf den zweiten Blick war der kleine Anton links außen in der zweiten Reihe mit dem großen Anton etwas besser in Übereinstimmung zu bringen.

Er fuhr zu seiner alten Schule, die auch ein Gymnasium beherbergte. 1973 war er einer der ersten gewesen, die im neuen Zweckbau unterrichtet worden waren und dort Abitur gemacht hatten. Erstaunlich, wie schwer es ihm fiel, etwas wiederzuerkennen. Die Schule kam ihm jetzt viel kleiner und schäbiger vor als damals. Die Böschung, die es zum vorderen Einlaß hinaufging, war ihm früher wie eine Anhöhe erschienen. Ungehindert gelangte er hinein. Es war gerade Pause, die Schüler standen in Grüppchen herum, ziemlich diszipliniert, keine fidele Rennerei, kein allzu großes Gelärme. Zum Rektorat mußte er sich durchfragen, so fremd war ihm das Gebäude geworden. An den Wänden hingen Kinderzeichnungen und von Schülern gestaltete Plakate, jeder Buchstabe in einer anderen Farbe. In den Vitrinen waren klobige Bastelarbeiten ausgestellt. Das hatte es zu seiner Zeit nicht gegeben, dachte er jedenfalls. Aber vielleicht hatte er es einfach nur vergessen. Viele Gerabronn-Erinnerungen waren inzwischen gelöscht. Nur Wolpertinger war davon verschont geblieben. Der war aber bereits seit mehr als zwanzig Jahren tot.

Beate Schneider stand auf dem Schildchen an der Tür. Die Sekretärin mit den flammend roten Hennahaaren empfing ihn freundlich. Unter ihrem gelben Mohairpullover zeichnete sich der Busen ziemlich deutlich ab. Dünne Zierpälmchen und Kakteen standen auf dem Fensterbrett. Glückwunschkarten hingen an der Wand. Eine kleine Sammlung gummiartiger Tierformen lag auf dem Schreibtisch: Radiermaus, Radierkrokodil, Radierbär. Als sie die Hände hob, klirrten die vielen Armreifen an ihren Handgelenken.

Was, ein ehemaliger Schüler! Und noch dazu ein Kriminalkommissar aus München, so was! Sie spitzte sofort die Ohren, als er von Anton Bilfinger sprach. Aber er konnte nur berichten, daß es um den Verschwundenen ging und vielleicht um einen seiner Schulkameraden. Das heißt, es sei noch nicht einmal sicher, ob es sich bei dem betreffenden Mann überhaupt um einen ehemaligen Schüler aus Gerabronn handelte.

Vom Verschwinden Bilfingers hatte sie natürlich erfahren. »Das war in Gerabronn ja Stadtgespräch. Ein Familienvater verschwindet einfach so, das gibt's sonst bloß im Fernsehen. Soviel ich weiß, hatte der weder Schulden noch eine zerrüttete Familie. Seine Kinder gehen hier zur Schule, die sind in Ordnung, sagen die Lehrer, jedenfalls sind es keine Problemkinder. Eine Riesentragödie!«

Aber sie hatte Bilfinger nicht persönlich gekannt, erst recht nicht als Schüler. In der Schule arbeitete sie erst seit sechs Jahren. Ein freundlicher Ort, sie war gern hier. Bislang gottlob keine Halbwüchsigen, die mit Messern oder noch gefährlicheren Waffen herumfuchtelten.

Natürlich gab es noch eine alte Schülerdatei, aber wenn er den Namen des Schülers nicht wußte, konnte sie ihm leider nicht weiterhelfen. Allerdings, vor ihrer Zeit habe es einmal einen Brand gegeben, und dabei sei ein gut Teil der alten Kartei vernichtet worden. Um welche Jahre ging es denn?

»Die Geburtsjahre neunundsechzig bis einundsiebzig.



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