Kein Opfer ist vergessen by Michael Harvey

Kein Opfer ist vergessen by Michael Harvey

Autor:Michael Harvey
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2013-10-06T22:00:00+00:00


VIERUNDZWANZIG

Ich weiß nicht, wie lange ich auf die aufgebrochene Tür starrte, ehe ich mich umdrehte und einen Blick über den Fußweg auf die Straße warf. Sarah war schon weg, der Bürgersteig leer. Ich dachte kurz darüber nach, die Polizei zu rufen, überlegte es mir dann aber anders und betrat das Haus. Im Flur holte ich einen Baseball-Schläger aus dem Schrank und ging ins Wohnzimmer. Das Zimmer war nicht auseinandergenommen worden, nur so viele Dinge verrückt, dass ich wusste, sie waren hier gewesen. In der Küche wirkte alles unverändert. Ich nahm die Treppe nach oben. Das Schlafzimmer meiner Mutter lag auf dem halben Flur. Seit ihrem Tod hatte ich es nicht mehr betreten. Ich drückte die Tür auf. Im Schrank hingen ihre Kleidungsstücke noch auf Bügeln, die Schuhe standen aufgereiht auf dem Boden. Auf der Kommode lagen ihre Haarbürste, Fotos von mir und ihr Schmuck. Mitten auf ihrem Bett entdeckte ich das karierte Band einer Mütze der Chicagoer Polizei. Ich nahm es auf, setzte mich und fragte mich, wie lange sie hier gewesen waren und was sie berührt hatten. Ich kehrte nach unten zurück. Die Tür zum Keller war angelehnt. Unten im Keller hockte ich mich an das versiegelte Loch im Boden. In dem glattgestrichenen Zement waren frische Kratzspuren zu erkennen. Ich stand auf und zog an einer Wand oben ein Stück Rigips heraus. Dahinter verbargen sich eine Kamera mit einer stecknadelkopfgroßen Linse und ein tragbares Aufnahmegerät. Ich löste die Speicherkarte aus der Kamera und steckte sie in meine Tasche. Als ich wieder oben war, rief ich einen Schlosser an. Dann wählte ich die nächste Nummer.

—

Smitty und ich trafen uns auf dem unbefestigten Parkplatz hinter dem Mustard’s.

»Was geht da bei dir ab, Danny?«

»Nichts, Smitty.«

Er beschirmte seine Augen mit der Hand und blinzelte in die Sonne. »Bist du sicher?«

»Ja.«

»Jemand hat deine Haustür eingetreten, Danny. Warum sagst du den Cops nicht Bescheid?«

»Das lass ich lieber. Kann ich ein paar Sachen abholen?«

Smitty sah mich scharf an, doch dann führte er mich im Mustard’s in einen kleinen Vorraum der Küche. Dort bückte er sich, zog an dem Griff, der in die Dielen gedübelt war, und öffnete eine Bodenluke zu einer kleinen Treppe. Er stieg sie hinunter, ich folgte ihm.

»Pass auf deinen Kopf auf«, sagte er und knipste eine Deckenlampe an. Der Keller war vielleicht vier Quadratmeter groß, die Decke nicht mal zwei Meter hoch. Havens’ Kartons standen übereinander an einer Wand, zwischen Kisten mit Frittier-Öl und dem begehbaren Kühlschrank.

»Willst du alles mitnehmen?«, fragte Smitty.

»Nein, nur ein paar Sachen.«

»Mach das Licht aus, wenn du fertig bist.«

Smitty verschwand nach oben. Ich war mit den ViCAP-Unterlagen allein. Alles schien noch so, wie ich es hinterlassen hatte. Ich sortierte die beiden Fotos der Bisswunden heraus und mehrere einschlägige Dokumente. Dann löschte ich das Licht, ging wieder nach oben und bestellte ein Hotdog mit Pommes. Ich aß draußen im Biergarten und sah dem vorbeirauschenden Straßenverkehr zu. Das Band der Polizeimütze lag vor mir auf dem Tisch, daneben die Fotos und die Speicherkarte. Wir hatten den 3. Juli. Ich wurde verfolgt und hatte keine Ahnung, warum.



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