Kapitalismus inklusive: So können wir den Kampf gegen die Populisten gewinnen (German Edition) by Uwe Jean Heuser
Autor:Uwe Jean Heuser [Heuser, Uwe Jean]
Die sprache: deu
Format: azw3
ISBN: 9783896845306
Herausgeber: Edition Körber
veröffentlicht: 2017-10-01T16:00:00+00:00
Teil III
Revolutionen, die sich lohnen
Kapitel 1
Die mitfühlende Gesellschaft
Warum sie kein leerer Begriff ist
Der Kapitalismus ist jederzeit leicht suizidgefährdet. Sein zentraler Mechanismus, der Markt, ist darauf angewiesen, dass die Bürger ein Grundvertrauen ins System und ineinander haben. Damit diese Voraussetzung bestehen bleibt, darf es nicht allzu instabil und ungleich zugehen. Sonst wird genau dieses Grundvertrauen gekündigt, und Wähler wählen politische Kräfte, die nicht das Miteinander, sondern das Gegeneinander betonen.
Immer wieder schlägt der Kapitalismus diese Warnungen in den Wind, produziert Boom und Bust, Expansion und Konzentration, zu wenige Gewinner und zu viele Verlierer, die glauben, es gehe grundsätzlich unfair zu. In diesem Jahrhundert wirkt die Wirtschaft wieder einmal besonders überdreht, und die beschriebenen Netzwerk-Effekte beschleunigen diese Entwicklung noch.
Piroschka Dossi und Robert von Weizsäcker bringen das in einem Buch auf den Punkt: Dass die Ökonomie die Menschen auseinandertreibt, wurzele in deren instinktiver Natur, schreibt das Münchner Duo. Ihre Gier und Neugier treiben demnach Wettbewerb und technologischen Wandel voran, »die ihrerseits unausweichlich dazu führen, dass die Ungleichheit zunimmt«. Dabei geschieht anscheinend etwas mit den Menschen und dem, wonach sie streben: »Wenn das marktwirtschaftliche Umfeld, in dem der Einzelne um sein Überleben kämpft, kompetitiver wird, hat dies Rückwirkungen auf das Wertesystem. Denn nicht nur ist der Markt ein Selektionsmechanismus, der großzügig belohnt und gnadenlos bestraft, sondern jedes erfolgreiche oder erfolglose Verhalten wird auf unmerkliche Weise in die Kategorien richtig und falsch und schließlich in gut und schlecht überführt.« In Kurzform bedeutet das dann: »Also schafft der vermeintlich wertfreie Markt aus sich selbst heraus Werte – Werte, die jenes egoistische Verhalten verstärken, das seinerseits die Ungleichheit erhöht.«
Da ist sie in Reinkultur, die zum Selbstzerstörerischen neigende Entwicklungsdynamik des Kapitalismus. Dass der Markt allein die gemeinschaftliche Moral nicht stützt, sondern eher den Egoismus stärkt, zeigen auch neue, groß angelegte Experimente. Darin sieht man: Die meisten Menschen achten am wenigsten darauf, welche Nebenwirkungen ihr Handeln für andere Lebewesen hat, wenn sie Akteure in einem Marktgeschehen sind. Der Markt weckt Konkurrenz- und Kampfgefühle. Menschen wollen gewinnen, auch wenn Kollateralschäden entstehen. Andere werden mit hineingezogen. So erfüllt sich die Erwartung, dass man am Markt an sich denken muss, am Ende selbst. Das Wertesystem mutiert zum Motto »Gier ist gut« aus dem Film »Wall Street«.
All das ist ein Teil der Wahrheit. Aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Nicht einmal annähernd.
Der Kapitalismus schafft den Bürgern auch Raum, Möglichkeit und Anreiz, um etwas für die Gemeinschaft zu tun. In Deutschland engagieren sich laut der Bundesregierung über vierzig Prozent der Bürger ab vierzehn Jahren ehrenamtlich. Sie trainieren Kinderteams im Fußballverein, teilen an einer Armentafel Essen aus oder kämpfen bei Greenpeace ums Klima. Zur Jahrtausendwende waren es nur gut dreißig Prozent.
Arbeitgeber und Demoskopen berichten übereinstimmend, dass viele talentierte Mitglieder der Generation Y, die heute zwischen 20 und 40 Jahre alt ist, wissen wollen: Wo engagiert sich das Unternehmen, für das ich arbeiten soll, für die Gesellschaft? Und vor allem: Gibt mir dieses Unternehmen Raum, mich im Rahmen meiner Arbeit selbst zu engagieren? Eine wachsende Zahl von jungen Menschen mit Gründergeist startet eigene Sozialunternehmen, die mit wirtschaftlichen Mitteln einen Missstand beheben wollen.
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