«Kanonen statt Butter» by Schanetzky Tim

«Kanonen statt Butter» by Schanetzky Tim

Autor:Schanetzky, Tim [Schanetzky, Tim]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406675164
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-04-28T16:00:00+00:00


IV.

In den Krieg

Im Spätsommer 1936 stellte Hitler die Weichen für den großen Krieg, der binnen vier Jahren kommen sollte. Eben erst hatte er sich gemeinsam mit Mussolini auf die Seite der eigentlich bereits geschlagenen Putschisten im spanischen Bürgerkrieg gestellt und Franco militärische Unterstützung zugesichert. Italien hatte das offizielle Ende seines Kolonialkriegs in Abessinien zwar verkündet, ging dort aber noch immer mit äußerster Brutalität gegen Rebellen und Zivilbevölkerung vor. Italienische Flieger setzten in Afrika immer wieder Giftgas ein, was wiederum die deutschen Rüstungsplaner alarmierte.

Im November 1936 gab das Reichsluftfahrtministerium eine sogenannte Volksgasmaske in Auftrag, die in großer Stückzahl produziert und schon bald an die Deutschen verteilt werden sollte. Ähnlich wie beim Volksempfänger handelte es sich um ein vereinfachtes und standardisiertes Produkt; die Berliner Auergesellschaft und die Lübecker Dräger-Werke entwickelten es gemeinsam. Im Frühjahr 1937 lief die Produktion an und sorgte für volle Auftragsbücher. Während man bei Dräger noch versuchte, zivile Produktionsbereiche wie die Medizintechnik nicht verkümmern zu lassen, setzte die Auergesellschaft ganz auf die Rüstungskonjunktur und machte bald fast 90 Prozent ihres Umsatzes mit Gasmasken.[1]

Der Start der Volksgasmaske verlief holprig. Göring kündigte sie im Juni 1937 öffentlich an, obwohl noch ungeklärt war, ob sie kostenlos verteilt werden sollte. Goebbels sah sich daraufhin gezwungen, die Propagandamaschine wieder zu stoppen. Erst im Herbst verteilte die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt die Masken dann im Rahmen einer Luftschutzaktion, bei der man zum Brandschutz auch die Dachböden entrümpelte. Fünf Mark sollte sie nun kosten, damit «sorgfältig damit umgegangen wird».[2] Bald darauf übernahm auch der Reichsluftschutzbund die Verteilung. In Passau forderten beispielsweise die Blockwarte jede Familie zum Kauf auf. Die dortige Lokalpresse betonte, dass es sich um eine «Friedensangelegenheit» handelte, denn im Ernstfall sei es dafür zu spät.[3]

Hausfrauen und Mütter durften sich von Illustrierten angesprochen fühlen; sie brachten Fotostrecken über die Volksgasmaske und informierten auch über deren Zubehör. Waren die Kinder zu klein, musste entweder eine geeignete Schutzhaube her, ein Kinderwageneinsatz oder gar ein Gasschutzbettchen für den Säugling.[4] Auch führte die NS-Frauenschaft überall Informationsabende durch, die allerdings «unter keinen Umständen […] Unruhe oder Furcht» hervorrufen durften.[5] Dem Propagandaministerium war besonders wichtig, dass die Presse im Zusammenhang mit der Volksgasmaske nicht «in Kriegspsychose» machte.[6] Doch das war Wunschdenken, denn die meisten derer, die nun gezwungen waren, erstmals eine Gasmaske anzuprobieren und dabei spürten, wie schwer das Atmen durch den Filter fiel, dürften spätestens jetzt ins Grübeln gekommen sein.



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