Kann ich wirklich helfen by Verena Moor

Kann ich wirklich helfen by Verena Moor

Autor:Verena Moor [Moor, Verena]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik, Fachbücher, Medizin, Pädiatrie, Populäre Belletristik
Herausgeber: Edition LeseSpaß
veröffentlicht: 2016-08-30T00:00:00+00:00


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Die Arbeit auf der neuen Station war nicht mit der auf den übrigen Stationen des Hauses zu vergleichen. Hier gab es nicht einen Fall, der wie eine Infektionskrankheit in vierzehn Tagen oder ein paar Wochen behandelt und ausgeheilt werden konnte. Die Fälle auf dieser Station waren langwierig, oft sogar anscheinend aussichtslos, manche wirklich nicht mehr zu heilen.

Monate waren hier wie Tage in der Kinderklinik. Ein paar Kinder waren seit mehr als einem Jahr hier. Und der Erfolg der Behandlung zeigte sich nicht in spontanen Besserungen ihres Zustands. Alles erforderte zähe Geduld, immer wieder neues Beginnen und ein ständiges Bemühen. Selbst der kleinste, kaum merkbare Erfolg war wie ein Wunder.

Von den vielen unglücklichen Geschöpfen, die hier auf eine Hilfe Gottes und das Geschick der Ärzte hofften, war eines besonders vom Schicksal gezeichnet – die kleine Uschi. Sie war ein Mädchen von sieben Jahren mit flachsblondem Haar, einem hübschen Gesicht und klugen Augen. Nicht immer blickten diese Augen Birgit so aufgeschlossen an. Mitunter konnten sie wie das Augenpaar eines verzweifelt kämpfenden Raubtieres sein.

Uschi war im Alter von fünf Jahren in einen grausigen Eisenbahnunfall verwickelt gewesen. Damals waren ihre Eltern vor ihren Augen umgekommen, sie selbst hatte einen Arm eingebüßt. Und sie hatte einen Nervenschock bekommen, dessen Folgen sie noch immer quälten. Sie bekam, wenn sie nur ein Geräusch hörte, das im Entferntesten dem eines nahenden Zuges glich, ihre Anfälle. Jeder dieser Anfälle warf das Kind wieder zurück. Und jedes Mal verbrauchte es soviel Kraft, dass es danach aussah, als hätte es eben eine schwere Krankheit überstanden. Manchmal schloss sich dem Anfall ein regelrechtes Nervenfieber an.

Dr. Schott, der Birgit an ihrem ersten Tag auf der Pestalozzi-Station diesen Fall erklärt hatte, meinte dazu:

„Die Anfälle greifen den Organismus des Kindes so sehr an, dass eine Überanstrengung eintritt. Der klinische Befund ist eindeutig Kreislaufbeschwerden, Herzmuskelschwäche, Sportherz. Sie hat bereits zweimal eine Myokarditis überstanden, und wer weiß, ob sie die nächste Herzmuskelentzündung überlebt. Hier ist nur Hoffnung, wenn jemand sich intensiv um das Kind kümmert. Nicht nur mal dieser, mal jener, sondern ein und derselbe.“ Achselzuckend fügte er hinzu: „Wie könnten wir das?“

„Sind keine Verwandten da?“, fragte Birgit und blickte die Kleine an, die jetzt in ihrem Bettchen lag und schlief.

Dr. Schott schüttelte den Kopf.

„Niemand. Erst war sie in einem Heim. Dort haben junge Erzieher eine Art Versuchskarnickel aus ihr gemacht und mehr verdorben als sonst etwas. Seit einem Jahr ist sie hier. Die Anfälle sind seltener geworden. Es ist kein Bahnhof in der Nähe. Aber sie träumt oft davon, einen Zug gehört zu haben, und alles beginnt von vorn.“

Birgit sah Dr. Schott betroffen an. Der kleine, nahezu zierliche Mann hatte die letzten Worte resigniert und hoffnungslos gesprochen. Das gab ihr den ersten Anstoß. Als sie wieder herabsah auf das schlafende Kind, dessen Haar wie goldene Seide im Lampenlicht glänzte, wusste sie, was sie zu tun hatte. Diesem Kind wollte sie jede freie Minute, all die Zeit, die sie über das normale Pensum hatte, und sogar ihren Urlaub opfern. Sie gelobte es sich in diesem Augenblick, da sie mit Dr.



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