Kaninchentage by Saskia Hula

Kaninchentage by Saskia Hula

Autor:Saskia Hula [Hula, Saskia]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: kinder
Herausgeber: Obelisk
veröffentlicht: 2013-06-28T22:00:00+00:00


20.

Tote Tiere sind für mich das Schlimmste. Wenn ich ein totes Tier sehe, stellen sich mir sämtliche Haare auf. Einmal haben wir beim Spazierengehen eine tote Katze gefunden. Ihr weißes Fell war ganz verkrustet, und wo ihre Augen hätten sein sollen, waren nur leere Höhlen. Meine Mutter machte einen Satz zurück, stieß einen Schrei aus und zog Annafrid weg, die die Katze unbedingt angreifen wollte. Mein Vater schob das tote Tier mit der Fußspitze an den Straßenrand. Es war brütend heiß, die Sonne stach vom Himmel, und die dicken Fliegen surrten aufgeregt herum. Mir wurde ganz schwarz vor den Augen und die tote weiße Katze, die schwarzen Fliegen und die gelbe Sonne begannen sich vor mir zu drehen. Dann klappte ich zusammen. Mein Vater fing mich gerade noch auf.

An die weiße Katze musste ich jetzt denken, als ich keuchend vor der toten Taube stand, die ich angeekelt hatte fallen lassen. Mir war auf einmal flau im Magen, als hätte ich etwas Verdorbenes gegessen. Gern hätte ich mich wieder auffangen lassen, aber zum Auffangen war keiner da. Nur ich war da, und ich musste Happy finden, der sich hier irgendwo versteckt hatte. Irgendwo zwischen alten Kübeln, kaputten Sesseln und toten Tieren.

Ich stöhnte leise auf. Während ich die tote Taube im Auge behielt, als könnte sie sonst davonfliegen, legte ich eine Hand auf das Stiegengeländer um mich anzuhalten. Vielleicht war Happy ja hinaufgelaufen in den ersten Stock. Oder hinunter in den Keller …Beim Gedanken an den Keller wurde mir noch flauer. Ich beschloss, zuerst im ersten Stock nachzusehen und riss meinen Blick von dem toten Vogel los.

Bis in den ersten Stock waren es siebenundzwanzig Stufen. Keine besonders gute Zahl, aber auch keine ganz schlechte. Dreiundzwanzig zum Beispiel war noch schlechter.

Oben angekommen, stöhnte ich auf. Es gab fünf Türen zu fünf Wohnungen. Alle Türen waren offen. Das bedeutete, dass Happy in jeder einzelnen dieser verkommenen, staubigen Wohnung sitzen konnte! Und das war erst der erste Stock! Das Haus hatte drei Stockwerke, vielleicht sogar ein Dachgeschoß. Und den Keller natürlich, an den ich gar nicht denken wollte.

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Es war kurz vor drei. Eigentlich musste ich dringend nach Hause, aber ich konnte Happy doch nicht einfach so seinem Schicksal überlassen?

Im Grunde konnte Happy hier ja gar nicht viel passieren, die Tür zur Straße war fest zu. Happy würde sich ein bisschen umsehen und morgen zurückkommen, wenn er genug von Staub, Schmutz und toten Tieren hatte. Schon allein aus Hunger!

Halbwegs beruhigt ging ich die Treppe hinunter. Immerhin hatte ich eine Lösung gefunden! Eine Lösung, die, wie sich herausstellen sollte, leider keine war. Denn Happy ließ sich auch am nächsten Tag nicht blicken.

Gleich nach der Schule ging ich mit frischen Salatblättern, Karotten und einem großen Stück Gurke zu Toifl und Söhne. Ich schnalzte und rief. Ich ging todesmutig im ersten Stock in jede Wohnung hinein, schaute hinter jeden Kasten und unter jedes Bettgestell. Zweimal stieg ich über die tote Taube, ohne sie anzusehen. Dann gab ich es auf, weil ich nach Hause musste.



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